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Sport: Deislers WM-Traum ist geplatzt

Der Münchner Nationalspieler muss erneut am Knie operiert werden und fällt sechs Monate aus

Berlin - Sebastian Deisler hatte Angst, als er vor wenigen Tagen ins Flugzeug stieg und nach Vail (USA) flog. Der Fußballprofi vom FC Bayern München hatte sich Anfang der Woche im Training bei einem Zweikampf mit Owen Hargreaves am rechten Knie verletzt. Weil es das Knie ist, an dem schon einmal seine Karriere hing, flog er direkt zum Kniespezialisten Richard Steadman, bei dem er schon einige Male operiert worden war und dem er es verdankte, überhaupt noch Fußball spielen zu können. Nach einer Arthroskopie überbrachte Steadman dem Nationalspieler die niederschmetternde Nachricht: Die Weltmeisterschaft im Sommer findet ohne ihn statt.

Sebastian Deislers Knie muss wegen einer Knorpelabsplitterung erneut operiert werden. Der Fußballer wird sechs Monate ausfallen. Die Nachricht aus den USA erreichte Deutschland gestern mitten im Bundesligaspielbetrieb. Sie verdrängte erst einmal die Debatten um den Wettskandal und das heutige Spitzenspiel des FC Bayern gegen Schalke 04. „Für uns ist das ein schwerer Schlag“, sagte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff. „Wir sind schockiert. Das ist tragisch für ihn“, sagte Joachim Löw, der Assistent von Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Uli Hoeneß, der Manager des FC Bayern, rang sichtlich um Fassung. Er sagte: „Das ist ein Riesenschock für uns alle, für den FC Bayern sowie die Nationalmannschaft ein Riesenverlust.“

Anfang kommender Woche wird Deisler, der in Begleitung seines Vaters ist, operiert. Dieser dann sechste Eingriff am rechten Knie ist der vorläufige Höhepunkt einer Leidensgeschichte, die in ihrem Verlauf ohne Beispiel ist. Im tragischsten Fall könnte sie auch der Endpunkt einer ungewöhnlichen Karriere sein.

Ende der Neunzigerjahre galt Deisler als der Heilsbringer des deutschen Fußballs, als das größte Talent des deutschen Fußballs seit Franz Beckenbauer. Bald darauf brachten ihn zahlreiche, zum Teil schwere Verletzungen den Ruf des Dauer-Patienten des deutschen Fußballs ein. Neben Meniskus-, Kreuzband- und Kapselrisse sowie Knorpel- und Kniescheibenschäden, die ihm die Teilnahme an der WM 2002 in Asien verbauten, wurde im Herbst 2003 eine schwere Depression bei ihm diagnostiziert. 52 Tage lang wurde Deisler im Münchner Max-Planck-Institut therapiert. Er war damals in die Öffentlichkeit gegangen, sagte dem Tagesspiegel: „Ich möchte das nicht mehr verdrängen. Ich bin krank.“

Anfang 2004, wenige Tage nach der Geburt seines Sohnes, war er entlassen worden. Er sagte, er habe die Krankheit hinter sich gelassen. Die Europameisterschaft im selben Jahr kam für ihn zu früh, er musste seine Teilnahme absagen. Er tröstete sich damals mit der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land. Er trainierte, kämpfte sich heran. Er schoss Tore für die Bayern und gab im September 2004 in Berlin gegen Brasilien sein Comeback in der Nationalmannschaft. Er sagte damals: „Den Patienten Sebastian Deisler gibt es nicht mehr.“ Kurz darauf, im Oktober 2004, folgte ein Rückschlag. Am Vortag des Champions-League-Spiels in Turin flog er zurück nach München. Er unterzog sich einer erneuten Therapie. Und wieder konnte er sich zurückkämpfen. Beim Confed-Cup im vergangenen Sommer sprach er davon, dass jedes Spiel für ihn „wie ein Geschenk“ sei. In die laufende Saison startete ein gereifter und stabiler Deisler, der die Vorbereitung komplett absolviert hatte. In der Champions League zeigte er seine besten Leistungen. Ende des vergangenen Jahres verlängerte er seinen Vertrag mit dem FC Bayern bis 2009. Anfang Februar allerdings zog er sich im Training eine Bänderdehnung im rechten Knie zu. Danach fand er wieder Anschluss und kam sowohl beim FC Bayern als auch beim Länderspiel in Florenz zum Einsatz. Allerdings war seinem Spiel anzusehen, dass es ihm an Sicherheit und Vertrauen fehlte.

„Es ist fürchterlich, dass er jetzt für die Weltmeisterschaft ausfällt“, sagte gestern Bayerns Trainer Felix Magath. Sebastian Deisler ist 26 Jahre alt, sein einziges großes Turnier war die EM 2000. Damals war er zwanzig, und stand nach Meinung der meisten Experten am Anfang einer großen Fußballer-Karriere. Die Weltmeisterschaft im kommenden Sommer in Deutschland hatte ihm Kraft gegeben. Sie war sein großer Traum. Dieser Traum ist gestern auf dramatische Weise geplatzt.

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