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Dejagah

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Dejagahs Länderspielabsage: Ausweg oder Ausschluss

Die Weigerung von Ashkan Dejagah, in Israel zu spielen, hat sich zu einem Politikum entwickelt. Der Zentralrat der Juden fordert den Rauswurf des Spielers. Der DFB muss sich mit der Politik auseinandersetzen.

Ashkan Dejagah war gestern bei sich in Wolfsburg. Öffentlich reden mochte er nicht. Auch die Eltern des 21-Jährigen nicht, die Ende der Achtzigerjahre aus dem Iran nach Deutschland ausgewandert sind. „Die ganze Familie ist überrollt von der Dimension“, hieß es gestern im Umfeld des Fußballspielers, der neben einem deutschen auch einen iranischen Pass hat. Der Fall Dejagah ist mittlerweile ein Politikum. Der deutsche Nationalspieler des U-21-Teams hatte wie berichtet seine Teilnahme am EM-Qualifikationsspiel am Freitag in Tel Aviv gegen Israel abgesagt. Dejagah, der bei Hertha BSC Bundesligaspieler wurde und im Sommer 2007 zum Bundesligakonkurrenten VfL Wolfsburg wechselte, hatte für seine Entscheidung „persönliche Gründe“ angegeben. So wurde es am Montagabend in einer Erklärung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verbreitet. Zuvor hatte auch im Raum gestanden, Dejagah wolle aus politischen Gründen nicht nach Israel reisen.

In der vergangenen Woche hatte Dejagah den U-21-Trainer Dieter Eilts über seinen Verzicht informiert, auch DFB-Sportdirektor Matthias Sammer war eingeweiht. Beide akzeptierten den Wunsch Dejagahs. Wohl etwas vorschnell, wie gestern Theo Zwanziger sagte. Der DFB-Präsident räumte gestern „Fehler“ ein. „Wir haben Dejagahs Entschuldigung zu schnell akzeptiert. Wir hätten mehr nachfragen und nachbohren müssen.“ Zwanziger will nun persönlich ein Gespräch mit Ashkan Dejagah suchen. „Ich werde es ihm etwas schwerer machen und versuchen, das Verantwortungsgefühl abzufragen, das er als deutscher Nationalspieler zeigen muss“, sagte Zwanziger. Von diesem Gespräch hänge ab, ob Dejagah wieder für eine deutsche Nationalmannschaft nominiert werde.

Bundestrainer Joachim Löw äußerte mittlerweile Unverständnis. „Grundsätzlich hätte ich vom Spieler erhofft und erwartet, dass er aus sportlichen Gründen und als deutscher U-21-Nationalspieler eine andere Entscheidung trifft“, sagte Löw der „Welt“. In der politischen Öffentlichkeit fiel die Kritik noch heftiger aus. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, fordert inzwischen den Ausschluss des Fußballprofis aus der U-21-Nationalmannschaft. „Wer wie Ashkan Dejagah ein Länderspiel gegen Israel verweigert, handelt zutiefst unsportlich, denn gerade sportliche Wettkämpfe werden friedlich, respektvoll ausgetragen und überwinden politische Spannungen“, sagte Knobloch in München. Als Nationalspieler repräsentiere Dejagah die Bundesrepublik, die antiisraelisches Verhalten nicht dulden könne. „Ich erwarte deshalb, dass der DFB den Spieler aus der deutschen Nationalmannschaft ausschließt“, sagte Knobloch. Ihre Meinung wird auch von der Fraktionsspitze der CDU/CSU im Bundestag sowie vom Chef des Sportausschusses Peter Danckert (SPD) geteilt. DFB-Präsident Zwanziger gestand Dejagah derweil als jungem Menschen das Recht zu, Fehler zu machen und hinzuzulernen.

Der Fall Dejagah hat den DFB offenbar überrascht. Noch am Montag herrschte in der Verbandsspitze Unklarheit über die tatsächlichen Beweggründe Dejagahs. Zwanziger ging wohl von einer politisch motivierten Entscheidung aus, als er sagte: „Wir werden nicht hinnehmen, dass ein deutscher Nationalspieler aus Gründen der Weltanschauung seine Teilnahme an einem Länderspiel absagt.“ Am Montagabend verbreitete der DFB eine Mitteilung, in der Dejagah so zitiert wurde: „Ich bitte um Verständnis, dass diese Gründe sehr persönlicher Natur sind und in meinem engsten familiären Umfeld begründet liegen.“

Aus dem Umfeld des Spielers ist zu erfahren, dass dessen Entscheidung nie politisch motiviert gewesen sei. Die Nominierung für das Spiel in Israel habe ihn vor ein Dilemma gestellt. Seit 1979 lehnt es der Iran ab, Israel anzuerkennen. Seine Staatsbürger sollen nicht in Israel einreisen oder an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen. Für Dejagah ergab sich offenbar die Angst, nicht mehr ohne Probleme in seine Geburtsstadt Teheran reisen zu können, wie er das für gewöhnlich einmal im Jahr tut. Zudem befürchtet er, dass seine dort noch lebenden Angehörigen kein friedliches Leben mehr führen könnten. Bruder Ardeshir Dejagah spielt beim Erstligisten Paykan Teheran. Vater Mohammad wollte zudem einen Wechsel Ashkan Dejagahs in die iranische Nationalmannschaft vorantreiben. Dieser ist aber mittlerweile nicht mehr möglich, da laut Fifa-Regeln ein Spieler, der das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht mehr den Nationalverband wechseln darf, wenn er ein Qualifikationsspiel für einen anderen Verband absolviert hat.

Dejagah hatte seine Befürchtungen Dieter Eilts offenherzig mitgeteilt. Trainer Eilts habe ihm gesagt, dass er die Gründe akzeptiere. Zwanziger wiederum hat die Entscheidung von Eilts respektiert, „weil er mir vermitteln konnte, dass der Spieler Gründe angeführt hat, die im privaten Bereich liegen“. In Dejagahs Umfeld heißt es, dass ein Rauswurf des Spielers auch Konsequenzen für Dieter Eilts und Matthias Sammer haben müsste, denn die hätten Dejagahs Gründe akzeptiert.

Für Verbandspräsident Zwanziger ist die politische Brisanz nach wie vor vorhanden. Er reist gemeinsam mit dem U-21-Team nach Israel und wird in der Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz zum Gedenken an die Opfer des Holocaust niederlegen. Am Mittwoch kommender Woche will Zwanziger in München den Julius-Hirsch-Preis verleihen – einen Preis des DFB „gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. Auf der Gästeliste steht Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden.

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