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Sport: „Den Spaß haben wir uns hart erarbeitet“

Dick van Burik über den Teamgeist bei Hertha, den Respekt der Fußballprofis untereinander und die Einstellung junger Spieler

Herr van Burik, bekommen Sie schon in der Vorbereitung ein Gespür dafür, ob es eine gute oder eine schlechte Saison wird?

Nein, man kann ein gutes Gefühl haben und trotzdem eine schlechte Saison spielen. Vor zwei Jahren war alles positiv, wir hatten eine sehr gute Vorbereitung – und wie die Saison danach verlaufen ist, weiß jeder.

Hertha wäre beinahe abgestiegen. Können Sie sich das inzwischen erklären?

Es sind damals einige Sachen schief gelaufen. Es gab keinen Teamgeist in unserer Mannschaft. Aber woran das liegt? Auf den Punkt genau kann man das nicht erklären.

Die Neuzugänge, vor allem Fredi Bobic und Niko Kovac, sind häufig für den Misserfolg verantwortlich gemacht worden.

Das ist nicht gerecht und wäre auch viel zu einfach. Niemand trägt die Schuld alleine. An einem solchen Prozess ist die ganze Mannschaft beteiligt. Plus Trainerstab und Vereinsführung. Jeder sieht ja, dass Niko inzwischen ein ganz wichtiger Führungsspieler ist.

Und Bobic?

Ich gebe zu, dass ich anfangs kein besonders gutes Verhältnis zu Fredi hatte. Wir sind beide sehr dominante Typen. Inzwischen verstehen wir uns sehr gut. Aber man muss nicht miteinander befreundet sein, um gut zusammenzuarbeiten. Dass wir nicht immer einer Meinung waren, hat nie zwischen uns gestanden.

Hat Bobic in der vorigen Saison mit seiner Unzufriedenheit den Erfolg der Mannschaft gefährdet?

Überhaupt nicht. Ich habe alle Hochachtung dafür, wie er sich verhalten hat. Als großer Spieler hätte er jedes Recht gehabt, mit seiner Situation zu hadern. Aber wie er sich im letzten Halbjahr ausschließlich für die Mannschaft eingesetzt hat, wie er viel mit den anderen Stürmern gesprochen hat und eigentlich auch ordentlich und gut trainiert hat, um das Niveau hoch zu halten – das hat mir gezeigt, dass er ein echter Profi ist.

Sie sind vor zwei Jahren zum Kapitän gewählt worden. War es für Sie auch eine persönliche Niederlage, dass die Mannschaft in jener Saison keinen gesunden Teamgeist entwickelt hat?

Ich habe natürlich versucht, Einfluss zu nehmen. Aber wenn es innerhalb einer Mannschaft schlecht läuft, merkst du erst, wie schwierig das ist. Läuft es gut, lassen sich die Leute viel leichter coachen, sind sie auch viel empfänglicher für Kritik. Läuft es nicht, schotten sie sich ab. Das gilt für jeden, wahrscheinlich auch für mich.

Waren Sie erleichtert, als Falko Götz Arne Friedrich zum Kapitän gemacht hat?

So habe ich es nicht empfunden. Ich hatte schon im Winter für mich entschieden, dass ich nicht Kapitän bleibe, egal was passiert. Ich war viel zu oft verletzt, das ist keine ideale Konstellation. Aber ich habe auch überhaupt kein Problem damit, nicht Kapitän zu sein. Ich brauche keine Binde, um das deutlich zu machen, was ich möchte. Weder bei meinen Mitspielern, noch beim Trainer oder dem Manager.

Gab es in der vergangenen Saison auch mal eine kritische Situation für den Teamgeist?

Ganz am Anfang, als wir die ersten sechs Spiele nicht gewonnen haben. Da mussten wir schon aufpassen, dass es keinen Rückfall gibt. Der Teamgeist hängt natürlich eng mit dem Erfolg zusammen. Man kann immer Spaß miteinander haben, aber wenn du jede Woche verlierst, hört der Spaß irgendwann auf.

Und dann ist die Mannschaft ins Trainingslager gefahren, hat sich zusammen einen Hollywood-Film angeschaut, ein Bier dazu getrunken – und anschließend in Kaiserslautern das erste Mal gewonnen. So einfach ist das.

Wenn es so wäre, hätte jede Mannschaft einen guten Teamgeist. Vor allem hätten wir dann niemals eine derart schlechte Saison erlebt wie zwei Jahre zuvor. Nein, so einfach funktioniert das leider nicht.

Wie denn?

Falko Götz hat uns vom ersten Tag an zu verstehen gegeben, dass er sehr großen Wert auf gegenseitigen Respekt legt. Das bedeutet, dass du deine Kollegen so behandelst, wie du auch gerne behandelt werden willst, dass man die Schwächen und die Stärken des anderen kennt – und sie akzeptiert. Falko Götz hat auch die entsprechenden Maßnahmen ergriffen, wenn es nicht in seinem Sinne lief. Der Trainer arbeitet sehr transparent. Ich glaube, das war der größte Gewinn für die Mannschaft. Aber auch der Spaß war wichtig. Dafür, dass der Spaß zurückgekehrt ist, haben wir hart gearbeitet.

Gibt es bei Hertha eine besondere Situation, weil so viele junge Spieler dem Kader angehören?

Man muss schon ein bisschen aufpassen, dass die jungen Spieler keine abgeschlossene Gruppe innerhalb der Mannschaft bilden. Viele der jungen Spieler haben das Talent für die Bundesliga, aber sie müssen auch das Bewusstsein entwickeln, dass es etwas Besonderes ist, Fußballprofi zu sein. Und auch wenn das komisch klingt: Sie müssen wissen, dass sie auf vieles verzichten müssen, was andere junge Leute in ihrem Alter machen. Ja, man muss erst verzichten, bevor man wirklich etwas herausbekommt.

Wie versuchen Sie, jungen Spielern das deutlich zu machen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. In Einzelgesprächen zum Beispiel, und die müssen nicht immer lieb und nett sein. Ich versuche, Ratschläge zu geben – und ich hoffe, dass diese Ratschläge auch bei ihnen ankommen. Wir Älteren haben nicht immer Recht, aber wir haben mehr Erfahrung.

Sie sind jetzt 31. Merken Sie, dass da eine andere Generation nachrückt, mit anderen Vorstellungen, als Sie sie mit 19 hatten?

Ja, zu unserer Zeit gab es noch keine Playstations. Und die sieht man hier doch sehr oft.

Und was die Einstellung angeht?

Ich habe früher Fußballzeitschriften gelesen. Ich habe mich auch mit älteren Spielern zusammengesetzt, mit Leuten wie Dennis Bergkamp, Frank de Boer oder Frank Rijkaard, und habe ihnen Fragen gestellt. Zum Beispiel, wie es war, in einem Europapokalfinale zu spielen. Ich war einfach neugierig. Ich habe dadurch auch viel gelernt. Es hat mir Spaß gemacht, darüber zu reden. Ich habe auch nicht ständig hinter dem Computer oder vor dem Fernseher gehockt. Ich hatte immer einen Ball dabei und habe auf der Straße gespielt. Heute siehst du doch kaum noch Jungs, die auf der Straße Fußball spielen.

Es sind eben zu viele Autos auf der Straße.

Die gab’s zu unserer Zeit auch schon, aber wir haben immer einen Platz gefunden.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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