zum Hauptinhalt

Sport: Der Angeklagte schweigt

Der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs gegen einen Olympiaschwimmtrainer wurde vertagt. Die Verteidigung übernimmt zusätzlich eine renommierte Anwältin.

Kiel - Wie es der Zufall wollte, wurde am Donnerstag in Kiel ein ehemaliger Kanupolo-Trainer wegen Missbrauchsübergriffen an zwei zur Tatzeit 13 und 15 Jahre alten Jungen zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen einen namhaften 40-jährigen Schwimmtrainer wird derweil weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit just wegen des gleichen Vorwurfs verhandelt – mit dem Unterschied, dass das vermeintliche Opfer ein 16-jähriges Mädchen gewesen ist.

Der 36 Jahre alte Kanu-Coach war nicht vorbestraft. Bei den nun abgeurteilten Taten war er nicht mit Gewalt vorgegangen, hatte aber sein Betreuungsverhältnis ausgenutzt. Schutzbefohlener in einem Abhängigkeitsverhältnis ist man laut Strafgesetzbuch auch noch im Alter von 17 Jahren. Irene Johns, Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes in Schleswig-Holstein, geht davon aus, dass etliche ähnliche Fälle nicht publik werden, weil keine Strafanzeige gestellt wird. Erst kürzlich habe ein 16-Jähriger aus Angst, den Verein verlassen zu müssen, seine Anzeige gegen einen Trainer zurückgezogen, berichtet Johns. Auch den Landessportverband treibt das Thema um. Seit Jahresbeginn gibt es im nördlichsten Bundesland einen Ehrenkodex für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Wer nicht bereit ist, diesen zu unterschreiben, kann kein Übungsleiter werden.

Dass dem Schwimmtrainer das Wasser nach mehrstündiger Befragung der heute 24-jährigen Nebenklägerin am ersten Verhandlungstag offenbar bis zum Hals steht, zeigt auch die Tatsache, dass er sich bereits zum zweiten von bislang drei Prozesstagen neben Anwalt Kai Dupre zusätzlich noch die renommierte Strafverteidigerin Annette Marberth-Kubicki an seine Seite geholt hat – übrigens die Ehefrau vom bekannten FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der ebenfalls Strafverteidiger ist. Der nun verurteilte Kanu-Trainer war auch ihr Mandant.

Ursprünglich war nur ein Verhandlungstag vor dem Kieler Amtsgericht angesetzt, nun wird der Prozess am 10. September bereits in eine vierte Runde gehen. Die nunmehr längere Unterbrechung liegt darin begründet, dass ein Schöffe seinen Urlaub antritt. Die Verteidigung hat bislang keinen ihrer 18 Beweisanträge bewilligt bekommen. Jetzt rechnen Beobachter damit, dass im nächsten Monat ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt wird. Dem angeklagten Trainer, der dem Gericht seine Personalien mitgeteilt, ansonsten aber geschwiegen hat, wird in insgesamt 18 Fällen das Begehen sexueller Handlungen bis hin zum ungeschützten Beischlaf im Zeitraum von 2004 bis 2006 vorgeworfen. Maximal droht ihm eine Freiheitsstrafe von vier Jahren.

Der frühere Schwimmer der iranischen Nationalmannschaft kam 1993 von Teheran nach Deutschland und arbeitete von 1995 bis 2007 als Trainer beim SV Neptun Kiel und stand zudem auf der Honorarliste des Schleswig-Holsteinischen Schwimmverbandes. In Kiel promovierte er auch als Sportwissenschaftler. Seit 2000 trainierte er das vermeintliche Opfer, das vorher noch Mitglied beim Konkurrenzverein SV Wiking in Kiel war. Fortan steigerte er kontinuierlich die Leistungen der Athletin, so dass sie es seinerzeit bis zur Teilnahme an deutschen Meisterschaften brachte. Bei Wiking waren aber nicht alle gut auf den erfolgreichen Coach zu sprechen. Der Grund: Die damals acht besten Schwimmerinnen wechselten alle zu Neptun, während Wiking sich um die Früchte seiner Jugendarbeit gebracht sah.

Bei Olympia in London noch am Beckenrand, muss der 40-Jährige nun um seine sportliche und damit berufliche Zukunft bangen. In Kiel begann einst sein Aufstieg, nun wird dort über seine weitere Karriere entschieden.Dieter Hanisch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false