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Sport: „Der Athlet hat keine Chance“

Dieter Baumann über Dopingkontrollen und seinen Traum vom olympischen Marathon 2004

Auf einmal sind Sie wieder da, Herr Baumann. Platz zwei über 10 000 m bei den Europameisterschaften in München, und das nach einer zweijährigen Sperre – haben Sie an ein solches Comeback geglaubt?

Ja, Ich habe daran geglaubt, denn ich bin ein Wettkampf-Typ. Immer wenn ich unter Druck stehe, dann bin ich besonders gut. Ich hatte in den zwei Jahren immer trainiert und bin gute Testrennen gelaufen. Es war natürlich eine Art Herausforderung, das Schwierigste in dieser Zeit war eher, dranzubleiben, zu laufen.

Die Europameisterschaften in München waren für Sie auch ein Comeback in den Herzen der Fans. Sie konnten nicht unbedingt damit rechnen, dass nach der Zahnpasta-Dopingaffäre das komplette Stadion hinter Ihnen stehen würde.

Ich habe vor München unterschätzt, wie wichtig es auch für die Zuschauer ist, dass ich gut laufe. Das habe ich erst hinterher in vielen Briefen und Gesprächen gemerkt.

Aber alle glauben Ihnen nicht.

S icherlich gibt es Leute, die mir nicht glauben. Aber was wollen die denn? Ich war zwei Jahre lang, unschuldig zwar, aber gesperrt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass diese Leute mehr wollen, sie wollen, dass ich nie mehr laufe. Diese Haltung kann ich nicht begreifen.

Wie lange werden Sie noch laufen?

Es kommt ja nicht nur darauf an, dass ich einfach nur laufe und Spaß daran habe, sondern ich und die Zuschauer haben ja auch eine Ergebnis-Erwartung. Wenn diese Schere zu weit auseinander geht oder ich den Spaß am Training verliere, dann ist Schluss.

Welche Rolle spielen die Olympischen Spiele in Athen 2004?

Wenn es im nächsten Jahr so läuft, wie ich hoffe, ist Olympia 2004 ein großes Ziel. Ich brauche große Ziele vor Augen – im Prinzip hat meine Olympiavorbereitung schon begonnen. Es wäre ein Traum, zum Abschluss der Karriere den olympischen Marathon 2004 von Marathon nach Athen zu laufen – losgelöst von irgendwelchen Medaillengedanken ist das für mich die absolute Vision.

In den letzten zwei Jahren hatten Sie die Zahnpasta-Dopingaffäre. Denken Sie, dass Sie denenn, die Ihnen nicht glauben, eines Tages einen endgültigen Beweis für die Anschlagstheorie liefern können?

Mein Gefühl sagt mir, dass wir irgendwann die Verantwortlichen kennen werden. Es wird aber auch dann noch Leute geben, die sich über mich ärgern.

Haben Sie Angst, zukünftig einer manipulierten Dopingprobe zum Opfer zu fallen?

Angst ist übertrieben. Aber meine Dopingkontrollen laufen jetzt natürlich anders ab. Ich bin nicht mehr so unbefangen wie vor zehn Jahren, und auch die Kontrolleure sind sensibilisiert. Ich achte auf gewisse Dinge, zum Beispiel mit wem ich vorher zusammen war und mit wem nicht.

Trauen Sie dem Kontrollsystem?

Von der Kontrolle bis zur Analyse sicherlich. Aber es gibt nach einem positiven Fall nach wie vor kein faires Verfahren gegenüber dem Athleten. Das galt bei mir ebenso wie beispielsweise bei Amewu Mensah, Uta Pippig oder Falk Balzer – der Athlet hat keine Chance. Wenn sich nichts ändert, kann man die Athleten auch gleich nach dem positiven Test sperren und sich die Anhörung sparen, denn die ist nur ein Schaukampf.

Bei positiven Dopingfällen wurde eine Kronzeugenregelung ins Gespräch gebracht – was halten Sie davon?

Das halte ich für sehr interessant. Denn wir müssen die Hintermänner des Dopings finden. Es geht gar nicht so sehr um den Athleten, viel interessanter wäre doch, welcher Arzt das Mittel besorgt hat. Denn er wird noch andere Athleten betreuen. Beim Epo-Doping geht es nicht ohne medizinische Hilfe. Doch keiner fragt sich: Wo sind die Helfer? Das ist nicht der richtige Weg des Anti-Doping-Kampfes. Und ein Anti-Doping-Gesetz wird uns auch nicht weiterhelfen, denn es wird ja sowieso nicht ermittelt. Schon heute könnte man bei Dopingfällen wegen Medikamentenmissbrauchs ermitteln, doch das passiert nicht.

Das Gespräch führte Jörg Wenig.

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