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Sport: Der Bastürk-Effekt

Mit seiner Rückkehr verschwinden Herthas Ängste

Berlin - Die Bedeutung des Sieges von Hertha BSC über Borussia Mönchengladbach am Samstag ließ sich nach Spielende am Hemd von Dieter Hoeneß ablesen. Das Oberhemd des Managers war unter dem dünnen Jackett sichtbar durchgeschwitzt. Der 53-Jährige ist zu lange im Geschäft, als dass ihn ein gewöhnlicher Bundesligakick, noch dazu gegen notorisch auswärtsschwache Gäste, in Bedrängnis bringen würde. Doch irgendein ambivalentes Gefühl musste Hoeneß vor dem Spiel beschlichen haben. Anders ließ sich Hoeneß’ Ausgelassenheit nach dem 2:1 nicht erklären.

„Ich bin richtig glücklich, dass wir dieses Spiel gewonnen haben“, sagte Hoeneß. „Das war kein schön anzusehender Sieg, aber einer, der erkämpft wurde. Das beweist, dass die Mannschaft Charakter hat.“ Wer Hoeneß reden hörte, hätte glauben können, einem gewonnenen Halbfinalspiel in der Champions League beigewohnt zu haben, dabei war es nur ein mühevoller Sieg über eine Mannschaft, die auswärts in dieser Saison nicht einen einzigen Punkt holte. Warum Hoeneß diesen Erfolg überinterpretierte, liegt schlicht am Zeitpunkt des Sieges. Er fiel zu einem Zeitpunkt, als der verheißungsvolle Saisonstart Herthas zum Erliegen gekommen schien. Ohne ihren Spielmacher Yildiray Bastürk hatten die Berliner drei Spiele nicht mehr gewinnen können. Am vergangenen Wochenende gab es eine herbe Niederlage bei den Bayern und den Fall von der Tabellenspitze auf Rang neun. Eine Niederlage gegen Gladbach hätte das junge Mannschaftsgebilde ordentlich ins Schleudern bringen können. Und das gerade jetzt, da in kurzer Zeit viele Pflichtspiele anstehen. „Ein Sieg bei den Bayern wäre wichtig fürs Ego gewesen“, sagte Hoeneß. Da der ausgeblieben ist, sei der Sieg über Gladbach so wichtig. Herthas Kapitän Arne Friedrich sprach von einer „entscheidenden Saisonphase“, die man jetzt „positiv eingeläutet“ habe.

„Jetzt kommt die Phase, in der sich die Tabelle korrigiert“, sagte Trainer Falko Götz. „Wir haben die Chance, uns oben festzusetzen.“ Nach dem Pokalspiel am Mittwoch bei den Stuttgarter Kickers spielt Hertha am Samstag in Cottbus. Bis Ende November heißen die Gegner Nürnberg, Bielefeld, Bochum, Dortmund und Aachen. „Vom Papier her für uns günstige Ansetzungen“, sagte Götz.

Die besondere, ja geradezu als therapeutisch besungene Bedeutung des Sieges speist sich aber auch und vielleicht vor allem aus der Rückkehr Yildiray Bastürks. Dass dessen Rückkehr mit der Rückkehr in die Gewinnzone zeitlich zusammenfällt, ist kein Zufall. Bastürk ist das kreative Herz der Mannschaft. Seine Präsenz auf dem Platz ist für die Mannschaft „auch psychologisch“ wichtig, wie Götz sagte. Steht der spielstarke Mittelfeldspieler auf dem Rasen, liegt der Fokus des Gegners auf ihm. „Und das bedeutet Freiheit für die anderen“, sagte Götz. Als Beispiel darf der 19 Jahre alte Kevin-Prince Boateng herhalten, der als Bastürk-Ersatz schier überfordert war, aber gegen Gladbach an der Seite des Türken ansprechend spielte. „An einem Spieler wie Yildiray wachsen unsere jüngeren Spieler“, sagte Götz.

Herthas Trainer ließ Yildiray Bastürk trotz dessen verletzungsbedingter fünfwöchigen Auszeit und nach nur zwei Trainingseinheiten 90 Minuten durchspielen. „Geplant waren 60 oder 70 Minuten“, sagte Bastürk. Aber genau in dieser Phase bekam das Spiel mit dem zwischenzeitlichen Gladbacher Ausgleich und der erneuten Führung Herthas seinen letztlich entscheidenden Dreh. „Ich hätte auch mit Schmerzen gespielt, weil ich wichtig für die Mannschaft bin“, sagte Bastürk am Tag danach. Götz konnte, Hoeneß wollte dem nicht widersprechen.

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