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Sport: Der Berliner ist Herthas Mann für die besonderen Dinge - aber wie lange noch?

Neulich in Portugal. Andreas Neuendorf, den sie bei Hertha BSC alle nur "Zecke" nennen, sitzt im kurzen Hemd in der Sonne.

Neulich in Portugal. Andreas Neuendorf, den sie bei Hertha BSC alle nur "Zecke" nennen, sitzt im kurzen Hemd in der Sonne. Mittagspause im Januar an der Algarve. Plötzlich taucht Jürgen Röber auf. "Allet im Griff, Trainer. Bin heute schon jut Fahrrad gefahren", sagt "Zecke" und blinzelt halb gen Himmel, halb in Röbers Gesicht. "Sag mal Zecke, bereitest du dich eigentlich auf die Rückrunde oder auf die Tour de France vor." Unentschieden endet diese kleine Unterredung.

Unterredungen der freien Art zieht Neuendorf förmlich an. Der 24-jährige Berliner ist nicht nur von flinker Denke und flotter Schnauze, er teilt sich auch gern mit. Deswegen mögen sie ihn bei Hertha BSC. Dass es ihm momentan im Rücken zwickt und er deshalb außerhalb des Fußballplatzes dosiert trainiert, nimmt ihm nicht mal der Trainer krumm.

Jetzt steht Neuendorf quasi mit einem Bein in Leverkusen. Von dort hatten ihn die Berliner Ende 1997 zurückgeholt. Damals wurde eine Option im Vertrag verankert, nach der Bayer den Mittelfeldspieler nach zweieinhalb Jahren zurückholen darf. "Ohne die Einschränkung hätten wir ihn nie bekommen", sagt Manager Dieter Hoeneß. Leverkusen besteht auf dieser Klausel. Demnach müsste Neuendorf zum 1. Juni des Jahres Hertha BSC für ein Jahr verlassen. "Mensch, was habe ich mich damals darum gekümmert, was in zweieinhalb Jahren sein wird", sagt Neuendorf, der sich von Leverkusens Manager Calmund ein bisschen "überrumpeln" ließ. Seit einem halben Jahr liegt ihm ein Anschlussvertrag von 2001 bis 2004 bei den Berlinern vor. "Hertha und ich sind uns einig", sagt Neuendorf. "Wenn ich nach Leverkusen müsste, wäre das natürlich nicht so schön. Aber ich gehe mal fest davon aus, dass sich beide Vereine einigen. Denn für das Geld, das Leverkusen für Emerson bekommt, können sie doch noch andere Spieler kaufen." Auch Manager Hoeneß sagt, dass er Neuendorf halten will.

Wenn er dennoch gehen müsste für dieses eine Jahr, "würde ich nicht nur dasitzen und dicke Backen schieben. Sonst verliere ich vielleicht wieder ein Jahr." Wenn Neuendorf nun eine wichtige Rolle bei Hertha in der Rückrunde spielt, dann dürften Leverkusens finanzielle Forderungen steigen. Also ist Politik gefragt. Neuendorf selbst glaubt, dass es das Beste wäre, "wenn ich eine Zeit lang unauffällig agiere". Ob das geht, weiß er nicht. Zumal die interne Konkurrenz auf seiner Position im Mittelfeld mit Tretschok, Hartmann, Dardai und Michalke groß ist. Und im Sommer kommt noch Stefan Beinlich von Leverkusen, was die Sache noch komplizierter machen dürfte. "Aber", sagt Neuendorf, "keine Mannschaft gewinnt heute mehr Spiele mit den ersten Elf."

Im ersten Berliner Jahr durchlief Neuendorf eine filmreife Serie von Verletzungen und Operationen. "Ich war Fußballprofi ohne Fußball." Erst in diesem Jahr konnte er sich in die Mannschaft spielen und nebenbei zwei A-2-Länderspiele absolvieren. Sogar Teamchef Erich Ribbeck hatte den Mann, "der besondere Sachen machen kann" (Röber) zweimal nominiert für EM-Qualifikationsspiele im vergangenen Herbst.

Zu den besonderen Sachen zählt Manager Hoeneß auch "seine soziale Ader", wie er sagt. "Was sagt der Manager", fragt Neuendorf, "soziale Ader?" Na ja, höre sich nicht schlecht an. "Ich als Berliner, multikulti und so." Neuendorf fungiert als eine Art Schleuse oder Integrationsvehikel. Vor allem ausländische Spieler finden den Weg in die Mannschaft meist nur über Neuendorf. Kauft Hertha BSC einen solchen Spieler, landet er auf Dienstreisen meistens in Neuendorfs Zimmer. Im aktuellen Fall ist das Alex Alves, Herthas 15 Millionen Mark teure Neuerwerbung. In seiner Leverkusener Zeit hat Neuendorf ein paar Brasilianer kennen gelernt, deswegen kennt er sich auch grob im Portugiesischen aus. "Viel ist das nicht, aber vielleicht ist es ganz gut, dass Alex noch nicht so viel mitbekommt." Aber Fußballspielen könne er schon, der Alves. "Wissen Sie, was sein Problem ist?", fragt Neuendorf und plaudert im Stile eines Experten: "Die Brasilianer sind typische Wettkampfspieler, für die alles andere nur Spaß ist. Aber bis dahin ist es für den Alex noch eine verdammt lange Zeit."

Aber auch eine Zeit, die es sinnvoll zu nutzen gilt. Meint jedenfalls Andreas Neuendorf. Jetzt in Berlin falle Alves das bestimmt leichter als in der Abgeschiedenheit des Trainingslagers an der Algarve. Schließlich ist die Familie gestern aus Brasilien nach Berlin gekommen. "Jetzt kann er meinetwegen in den Zirkus gehen. Da muss er nicht so viel verstehen." Und wieder lehnt sich "Zecke" zurück. "Irgendwie ist das komisch. Wenn sich Türken unterhalten, oder meinetwegen Spanier - meistens kann ich genau entschlüsseln, worüber sie reden. Ist doch komisch, oder?"

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