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Sport: Der bescheidene Kämpfer

Vedene - Georg Totschnig ist kein Mann, der leicht aus sich herausgeht. Der kleine, 61 Kilo leichte Radprofi aus dem Zillertal, hat sich am vergangenen Samstag einen Traum erfüllt.

Vedene - Georg Totschnig ist kein Mann, der leicht aus sich herausgeht. Der kleine, 61 Kilo leichte Radprofi aus dem Zillertal, hat sich am vergangenen Samstag einen Traum erfüllt. Auf der härtesten Bergetappe der Tour musste er nur Lance Armstrong und Ivan Basso davon ziehen lassen, die komplette übrige Weltelite der Bergfahrer ließ er hinter sich. Ja, das sei schon das gewesen, worauf er seit Jahren hingearbeitet habe, sagt er zwei Tage später jedoch nur schüchtern und bedächtig, so als sei ihm seine Dreistigkeit, die Großen herausgefordert zu haben, im Nachhinein ein wenig peinlich.

Seit vier Jahren arbeitet Georg Totschnig im Stillen daran, zu den Großen des Radsports zu gehören. Das sind vier Jahre der harten Arbeit, der Geduld, der Demut und der Zweifel. Bjarne Riis, der Tour-Sieger von 1996, ehemaliger Mannschaftskamerad von Totschnig beim Team Telekom und Sportdirektor beim Team CSC, nannte am Montag Totschnig einen der gefährlichsten Widersacher seines Schützlings Ivan Basso im Kampf um Platz zwei in Paris. Totschnig selbst hat sich hingegen als Ziel für die letzte Woche gesteckt, „noch einmal bei einer Etappe gut abzuschneiden“. Etwa beim Bergzeitfahren nach L’Alpe d’Huez.

So zögerlich Totschnig seinen neuen Status in der Hackordnung des Tour-Rudels annimmt, so zäh war seine Wandlung vom Domestiken zum Kapitän. Noch heute hat er Schwierigkeiten, von sich als Kapitän zu sprechen: „Ja, sicher, hier bei der Tour bin ich der Kapitän. Aber ich würde mir niemals anmaßen, mich das Jahr über so aufzuführen.“ Dass er überhaupt seine eigene Karriere vorantrieb, anstatt Helfer zu bleiben, verdankt er einer Mischung aus Frustration und dem Zureden seines Sportlichen Leiters bei der Gerolsteiner Mannschaft, Hans-Michael Holczer.

Totschnig hatte beim Team Telekom brav Riis und Ullrich unterstützt, war Teil der Sieger-Mannschaft von 1997. Er war stolz, solchen Fahrern zu dienen und verstand es deshalb nicht, dass die Teamleitung ihn 2000 nicht für die Tour nominierte – schließlich hatte er im Gebirge immer verlässlich Dienst getan. Deshalb traf er sich im Herbst 2000 in einem McDonald’s-Restaurant an der Tiroler Autobahn mit Holczer. Der hatte damals nicht viel zu bieten, außer Energie und Hoffnung. Gerolsteiner war ein Team der zweiten Kategorie, die Pläne, einmal bei der Tour dabei zu sein, waren vage und unsicher. „Das war ein großes Risiko“, sagt Totschnig heute. Doch Holczer überzeugte ihn.

Sebastian Moll

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