zum Hauptinhalt

Sport: „Der Bierhoff kann nix“

Herr Müller, die deutschen Stürmer schießen nur noch Tore, wenn es nicht drauf ankommt. Wie gegen Kuwait oder gegen Österreich.

Herr Müller, die deutschen Stürmer schießen nur noch Tore, wenn es nicht drauf ankommt. Wie gegen Kuwait oder gegen Österreich. Hat Teamchef Rudi Völler ein Stürmerproblem?

Ohne Klose hätten wir da vorne gar keinen schnellen Mann mehr. Neuville noch, aber dann? Auch der Scholl ist torgefährlich, ich verstehe nicht, warum der nicht mit will. Eine WM ist das Größte, du musst alles machen, um dabei zu sein. 1970 vor Mexiko hieß es erst, ich muss operiert werden. Ich bin zu allen Ärzten und durfte doch mit.

Beschreiben Sie mal die folgenden Stürmer der deutschen Nationalmannschaft – Klose, Bierhoff, Jancker und Neuville.

Klose ist der Stärkste. Der ist schnell, kann dribbeln, der rennt den anderen davon. Neuville ist auch schnell, zwar kein Torjäger, aber er kann eine Abwehr aufreißen. Jancker – der muss seine Stärke wiederfinden. Ob er das schafft, da bin ich mir nicht sicher.

Noch ein Wort zu Bierhoff?

Über den will ich lieber nix sagen, für mich kann er nix. Zu der Meinung stehe ich.

Können Sie denn nachvollziehen, wie sich so ein Stürmer wie Carsten Jancker fühlt? Wenig Tore und dann noch ausgelacht?

Nicht gut fühlt er sich. Der ist nicht fit nach der Verletzung. Kein Tor in der Saison, das nagt, das sag ich Ihnen. Für einen Mittelstürmer das Schlimmste. Du überlegst den ganzen Tag, was für ein schlechter Kerl du bist.

Bei Ihnen gab es nie solche Phasen?

Nicht ganz so schlimm vielleicht. Zwei, drei Spiele ohne Tor gab es. Aber ich hab danach immer in der Nationalelf getroffen. Helmut Schön hat mich trotz der Flaute geholt. Und plötzlich sind sie im Klub alle wieder rein gekullert. Manchmal jedoch war ich froh, wenn ich keinen Ball gekriegt habe. Du fühlst dich wie der letzte Lump. Wir haben zur Therapie bei Schön acht Stürmer gegen vier Abwehrspieler gespielt, damit auch mal ein Ball ins Tor geht.

Sie haben die heutigen Stürmer kritisiert, weil sie die einfachen Tore nicht machen.

Ein gutes Beispiel ist der Elber. Du wirst nie Torschützenkönig, hab ich ihm gesagt, weil du keine Elfer schießt und, weil du die einfachen Dinger nicht machst. Aber der ist Brasilianer und will nur spektakuläre Tore machen. Rein muss er, darum geht’s.

Und Jancker?

Ich sag immer: Hey Langer, jetzt musst du mal was reißen, du willst zur WM. Mach net so lang rum vor dem Tor. Der sagt dann: Bomber, du hast gut reden, und dann winkt er ab. Soll der alte Sack doch reden…

Was muss ein gescheiter Stürmer haben?

Der muss mitspielen, die Situation voraussehen. Wenn der Franz Beckenbauer mich scharf angespielt hat, wusste ich, der will einen Doppelpass. Kam er weich, sollte ich in die Gasse. Wenn du genau hinschaust, siehst du schon an der Bewegung, was kommt.

Und die Problematik um Martin Max, den Torschützenkönig der Bundesliga?

Das hat sich Rudi Völler selbst eingebrockt. Warum nimmt er ihn überhaupt mit und lässt ihn dann acht Minuten gegen Argentinien spielen? Das hat die Diskussionen verschlimmert. Und was dazu kommt: Der Jancker hätte sich nicht so beschissen gefühlt.

Früher gab es so ein Theater nicht?

Vor der WM 1970 in Mexiko ging es um Uwe Seeler und mich. Wir beide hatten kein Problem miteinander, nur der Schön, der wusste nicht, was er machen sollte. Es wurde hin und her probiert. Beide oder nicht? Ich hab gesagt, beide geht nicht, weil ich nix mehr getroffen hab. In der Kabine hab ich laut geschimpft: Ich spiel so einen Scheiß, ich gehör’ nicht zur WM. Am nächsten Tag stand alles in der Zeitung. Der Schön hat mich fürchterlich angeschissen. Am Ende haben wir beide gespielt.

Und 1974?

Das war schlimm. Wir haben erst furchtbar schlecht gespielt und uns später zusammengerauft. Wir hatten nach der EM 1972 auf Netzer gesetzt. Das war ein Fehler. Der war kein Turnierspieler.

Dann kam der Kölner Overath

Der hatte Biss und brannte. Der hat jeden gefressen. Am schönsten aber war es in Mexiko. Da haben die Brasilianer die Band in der Bar im zwölften Stock um zwölf weggeschickt und selbst gespielt. Genauso unglaublich wie auf dem Spielfeld. Ein Traum. Ich hab nur noch gestaunt, was da alles an großartigen Spieler rumlief.

Schauen Sie die alten Kassetten noch an?

Das 3:4 von 1970 im Halbfinale gegen Italien nicht mehr. Den Siggi Held könnte ich heute noch umbringen für seinen Fehler zum 2:2. Ich hab mal eine Videokassette rausgebracht, all meine Tore. Neulich hat Amateurtrainer Gerland gesagt: Gerd, bring das Ding mit, das schauen die sich jetzt eine Stunde lang an, dann wissen sie, wie man Tore macht.

Was erwarten Sie denn diesmal von der deutschen Mannschaft?

Auf den ersten Blick nicht viel. Ich hoffe, sie kommen über die erste Runde raus. Das erste Spiel, das müssen sie gewinnen.

Sie arbeiten jetzt als Kotrainer bei den Amateuren des FC Bayern. Wie lange läuft Ihr Vertrag noch?

Bis 2004. Dann bin ich 60. Ich mach dann weiter, wenn es geht. Ich fühle mich wohl.

Sie sollen mittlerweile ein gefürchteter Tennisspieler sein.

Der Aufschlag ist nicht so gut, sonst geht es. Ich sehe schnell, was der andere macht. Das hab ich vom Fußball übernommen. Ich weiß, was kommt, ich spiel’ ja jeden Tag. Sonntags ab sieben Uhr morgens.

Und wer gewinnt von den Kollegen Hoeneß, Beckenbauer und Rummenigge gegen Sie?

Die trauen sich doch nicht. Ein langweiliges zu Null gäb das. Franz, der faule Hund, hat es mal probiert, nicht schlecht, aber der will ja nie laufen. Golf, das passt genau für ihn. Aber Tennis ist ihm zu anstrengend.

Das Gespräch führte Oliver Trust.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false