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Sport: Der böse Vorwurf der Intrige

Im Prozess gegen Leichtathletik-Trainer Springstein verkehren sich die Fronten

Der erste Prozesstag vor dem Amtsgericht Magdeburg begann für Thomas Springstein später als geplant und endete früher als erhofft. Mit zwanzig Minuten Verzögerung erschien der 47 Jahre alte ehemalige Leichtathletiktrainer um 9.20 Uhr im Gerichtssaal, gekleidet in einem schwarzen Anzug und einem aufgeknöpften weißen Hemd mit braunen Streifen. Die Begründung wie auch sonst alle Äußerungen, abgesehen von den Angaben zu seiner Person, überließ Springstein seinen beiden Verteidigern. „Wir möchten uns für den schlechten Eindruck entschuldigen“, sagte Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel, „die Verkehrsverhältnisse in Magdeburg waren unüberschaubar“. Bis Springstein dann den Verhandlungssaal 2 des Amtsgerichts um 13.30 Uhr wieder verließ, hatte er entspannt zusehen können, wie seine Verteidiger das Verfahren in die Hand genommen hatten.

Die Staatsanwältin Angelika Lux kam im Grunde nur zu Beginn zu Wort, als sie die Anklage verlas, in der Springstein vorgeworfen wird, minderjährigen Athleten in drei Fällen Dopingmittel gegeben zu haben. Springstein bestreitet alle Anschuldigungen. Danach sollte eigentlich die Hauptbelastungszeugin Anne-Kathrin Elbe gegen Springstein aussagen. Nachdem sie sich einem Trainer anvertraut hatte, war das Verfahren gegen Springstein schließlich erst ins Rollen geraten. Doch sie reiste wieder ab, ohne zum Sachverhalt befragt worden zu sein. Dafür fand sich auf einmal Joachim Strauss im Zeugenstand wieder. Er ist Abteilungsleiter von Elbes Verein Bayer 04 Leverkusen und wollte der 18 Jahre alten Sprinterin lediglich Beistand leisten bei ihren Ausführungen. Das war allerdings nicht im Sinne der Verteidiger. Sie wollten von Strauss selbst wissen, warum Elbe im Sommer 2004 von Springsteins Sprintschule in Magdeburg nach Leverkusen gewechselt war.

Die Taktik der Verteidigung ist schließlich diese: nachzuweisen, dass Elbes Vereinswechsel von Magdeburg nach Leverkusen der wahre Grund für ihre Anschuldigungen ist. Von einer „Ost-West-Intrige“ hatte Diestel vorher gesprochen, von einer „Demontage der Magdeburger Sprintschule“ sprach sein Kollege Johann Schwenn im Verfahren. Mit dem 58 Jahre alten Hamburger Schwenn hat sich Springstein einen Staranwalt gewählt. Schwenn vertrat schon den DDR-Spionagechef Markus Wolf, Jan Philipp Reemtsma und Kulturstaatsminister Michael Naumann. Er machte auch keinen Hehl daraus, dass er das Flair der großen weiten Welt mit ins kleine Magdeburger Amtsgericht gebracht habe. Gleich zu Beginn des Verfahrens gab er der Staatsanwältin Lektüreaufgaben und setzte die Vernehmung von Strauss durch.

„Was ist an Leverkusen so schön? Für mich wäre es der letzte Ort, an den ich ziehen würde“, sagte Schwenn. Elbe habe sich wegen der sportlichen Bedingungen für Leverkusen entschieden, entgegnete Strauss. Sie bekomme monatlich eine Aufwandsentschädigung von 400 Euro vom Verein, mehr aber nicht. Das versuchten Schwenn und Diestel in Zweifel zu ziehen. Sie fragten außerdem, ob es denn in Leverkusen überhaupt eine Trainingsgruppe für junge Hürdensprinterinnen gebe. „Eine spezielle Trainingsgruppe gibt es nicht“, sagte Strauss, aber Elbe werde optimal trainiert. Dennoch war Strauss, der eigentlich gemeinsam mit Elbe offensiv die Anklage stützen wollte, im Laufe der Verhandlung zunehmend in der Defensive.

Schwenn wollte ihn auch noch aufs Glatteis führen, als er ihn fragte, ob er sich denn schon einmal im Internet über Dopingmittel informiert habe. Dass Strauss die Frage mit „ja“ beantwortete, dürfte der Verteidigung gut gepasst haben. Denn die Staatsanwaltschaft hat bei Springstein schließlich laut Anklageschrift auch E-Mails mit Informationen gefunden, wie bestimmte Dopingsubstanzen angewendet werden können.

Am Ende des Verhandlungstages wirkte Springstein deutlich entspannter als noch zu Beginn und Schwenn und Diestel verließen den Saal mit einem triumphierenden Lächeln. „Der Vereinswechsel von Frau Elbe ist auffällig“, sagte Schwenn zum Abschluss des ersten Verhandlungstages. „Wir wollen herausfinden, ob die Motivation für den Wechsel nicht auch die Motivation für die Strafanzeige ist. Ich glaube, dass das heute gelungen ist.“ Am nächsten Montag kann Anne-Kathrin Elbe etwas anderes aussagen. Dann ist sie noch einmal als Zeugin geladen.

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