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Sport: Der Favorit hält Hof

Britische Attacken kontert die französische Delegation um Jacques Chirac mit demonstrativer Gelassenheit

Aufregen will sich keiner. Spott und Häme aus London? Angst vor einem neuerlichen Versagen beim dritten Anlauf? In Paris herrscht vor der Entscheidung über die Vergabe der Olympischen Spiele 2012 Gelassenheit vor. „Wir bleiben ruhig“, meldete die Zeitung „Liberation“ am Dienstag. Auch Staatspräsident Jacques Chirac scherzte nach seiner Ankunft in Singapur, wo das Internationale Olympische Komitee heute den Gewinner verkündet (13.45 Uhr MESZ, live bei Phoenix), gut gelaunt mit den Angestellten des Hotels. Die Botschaft ist deutlich: So souverän treten Favoriten auf.

London hatte in den vergangenen Wochen im olympischen Städtekampf aufgeholt, auch Madrid werden Außenseiterchancen eingeräumt. Und am Montag qualifizierten Vertreter der britischen Bewerberstadt das Stade de France, Herzstück der Pariser Bewerbung, als nicht olympiareif ab. Die Pariser Delegation in Singapur schwieg zu den Vorwürfen, das Stadion sei unmodern und veraltet. Nur Bertrand Delanoë, Bürgermeister von Paris, ließ sich in der Tageszeitung „20 Minutes“ mit den Worten zitieren: „Na, zumindest haben wir ein Stadion“ – eine Anspielung darauf, dass London kein Olympiastadion vorweisen kann. Wenn heute die Entscheidung fällt, hoffen die Franzosen neben dem bislang am besten bewerteten Konzept auch auf einen Bonus für ihre olympische Höflichkeit. Das Stade de France im Norden von Paris, in dem 1998 das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft stattfand, hat die Stadt umbenannt: Es heißt jetzt „Stade de France – Paris 2012“.

Für die Olympischen Spiele hat die französische Hauptstadt alles getan. Am Ende ließ sich sogar der Bürgermeister auf den Arm nehmen. Ein französischer Judoka warf Delanoë über die Schulter, mitten auf den Champs-Elysées. Dort fand gerade ein außergewöhnliches Sportfest statt, bei dem alle olympischen Sportarten vorgestellt wurden. Die Besucher konnten Beachvolleyball spielen, Kinder turnten an Barren, sogar Segelboote kurvten auf der Pariser Pracht-Avenue herum. Fast eine Million Franzosen wollten das sehen und mitmachen.

Am nächsten Tag prangte auf den meisten Pariser Zeitungen das Bild des sportlichen Bürgermeisters auf der Titelseite. Es war ein symbolisches Foto. „Zusammen schaffen wir die Bewerbung“, sollte es bedeuten. Und neun Stunden, nachdem die Zeitungen erschienen waren, sprach die Evaluierungs-Kommission den Franzosen die besten Chancen auf die Vergabe der Spiele 2012 zu.

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, Paris habe die Spiele längst zugesprochen bekommen. Alle berühmten Bauwerke in der Hauptstadt sind mit dem Olympialogo geschmückt. Das riesige bunte Schild „Paris 2012“ hängt nicht nur am Eiffelturm, am Hotel de Ville und an den Champs-Elysées. In den Metrostationen ist jeder Fahrkartenschalter damit beklebt, von Reklamewänden rattern kleine olympische Lebensweisheiten auf die Passanten herunter.

Heute ist ein großes Olympiafest am Rathaus geplant – dann soll der Sieg gefeiert werden. Am Hotel de Ville wird auf sechs gigantischen Monitoren die Entscheidung des IOC live übertragen.

In der vergangenen Woche verging kein Tag mehr, an dem nicht ein Politiker oder ein französisches Unternehmen verkündete, wie sehr man sich auf die Spiele freut. Und pünktlich zur Abstimmung hin hat sich auch die Sängerin Celine Dion in den Wettbewerb der Städte eingeschaltet. Die CD mit dem Titel „A Paris“ ist seit vergangener Woche als Sonder-Edition „2012“ erhältlich.

Zwei Mal hatten sich die Pariser zuletzt beworben, 1992 schnappte ihnen Barcelona die Spiele weg; für 2008 bekam Peking die Zusage. Diesmal seien sie nun dran, finden die Franzosen. Die Chancen dafür stehen objektiv betrachtet nicht schlecht. Beim Hauptkonkurrenten London bemängelte die IOC-Kommission das schlecht ausgebaute Transport- und Infrastruktursystem. Paris dagegen meldet stolz, während der Spiele problemlos 41 000 Sicherheitsleute, 3200 Feuerwehrmänner und 2500 Ärzte aufzubieten. Und viele begeisterte Bürger.

Um die Wartezeit bis heute Nachmittag zu verkürzen, hat die Zeitung „Le Parisien“ vergangene Woche alle Franzosen dazu aufgerufen, ein vorgedrucktes Formular auszufüllen und an die Zeitung zu verschicken. Damit können die Leser ihre Unterstützung für die Spiele kundtun. Die Zeitung hat versprochen, die Namen aller Briefeschreiber zu veröffentlichen. Es könnte eine lange Liste werden.

Stéphanie Souron[Paris]

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