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Der Meister und sein Werk. Wladimir Putin ließ sich am Mittwoch an der Seite von Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa (l.) und Sportminister Witali Mutko durch das Olympische Dorf führen – ihm gefiel, was er sah.

© Reuters

Olympia in Sotschi: Der ganze Stolz des Wladimir Putin

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi sollen das Vermächtnis des Wladimir Putin werden. Dafür nahm Russlands Präsident Unmengen Geld in die Hand. Nun soll der Traum in Erfüllung gehen. Kritik ist da nicht willkommen.

Das Leopardenjunge fühlte sich wohl auf den Knien von Kremlchef Wladimir Putin. Sichtbar wohler als unter der streichelnden Hand von Jean-Claude Killy. Der ehemalige französische Skirennfahrer und Olympiasieger von 1968 ist derzeit Chefkoordinator des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für die Winterspiele in Sotschi. Killy war zusammen mit dem russischen Präsidenten in ein Gehege gestiegen, wo Jungtiere auf das Leben in freier Wildbahn vorbereitet werden sollen. Putin selbst hatte die Gründung des Rehabilitationszentrums für die Raubkatzen, die Wilderer in den Fünfzigerjahren im Nordwestkaukasus ausgerottet hatten, vor fünf Jahren auf den Weg gebracht. Und nun lauschte er mit sichtbar feuchten Augen den Ausführungen zur Wiederherstellung der Population. Der Erfolg ist programmiert: Leoparden können sich demzufolge 270 Mal paaren. Pro Woche.

Wer jetzt auf eines der nassforschen Bonmots wartete, mit denen Putin in den ersten Jahren seiner Amtszeit um die Gunst der Wähler daheim buhlte und die Amtskollegen im Westen zumindest irritierte, saß im falschen Film: Putin, der Dienstag in Sotschi einschwebte, um beim Finale seines Prestigeprojekts Olympia selbst die Regie zu übernehmen und die Hauptrolle gleich mit dazu, ist nicht mehr der Mann, der um Gunst und Verständnis wirbt. Er kam, um Glanz und Ruhm zu ernten.

Erstmals Winterspiele in den Subtropen

Das wurde selbst Unbedarften klar, als er sein Grußwort an die 126. Tagung des IOC richtete, die Dienstagabend im neuen Luxus-Resort Radisson Blue begann. Die Vorbereitungen der Spiele, sagte Putin, hätten gezeigt, dass Russland „beliebig große Projekte“ realisieren kann. Noch bei der Vergabe 2006 hätte Sotschi bestenfalls über fünfzehn Prozent der für die Winterspiele nötigen Infrastruktur verfügt. Schwierigkeiten würden die Nation jedoch nur zusammenschweißen und seien Ansporn, den Beweis dafür anzutreten, dass Russland in der Lage ist, die ambitioniertesten Ziele zu erreichen. In Sotschi seien in nur fünf Jahren Sportstätten von Weltklasse und eine städtische Infrastruktur entstanden, für deren Bau normalerweise Jahrzehnte nötig sind.

Die Winterspiele in den Subtropen – unten am Schwarzen Meer zeigte das Thermometer am Mittwochmittag 14 Grad plus und im mit vielen Neubauten aufgeblasenen Skidorf Krasnaja Poljana schmolz der wenige Schnee unter der gleißenden Sonne – würden ein Fest für alle Sinne werden, versprach Putin. Als am Mittwochnachmittag in seinem Beisein im Olympischen Dorf die russische Trikolore gehisst wurde, sagte er: „Russland ist mit einer sehr jungen Mannschaft vertreten und hat gute Medaillenchancen.“ Das hofft auch der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kyrill I., der Mittwoch nicht nur die russische Mannschaft, sondern auch Sportler aus Weißrussland, der Ukraine und Moldawien in ihren Quartieren besuchte.

Seine Heiligkeit trug dabei die dunkelblaue, mit Schneekristallen verzierte Uniform offizieller Sponsoren, einschließlich Strick-Pudelmütze. Auf der prangte indes nicht das orthodoxe Kreuz mit einem zweiten Querbalken, sondern das einfache der Ökumene. Die Bauarbeiter, so Kyrill in einem Exklusivinterview für das russische Staatsfernsehen, hätten eine Leistung vollbracht, die weltweit einmalig sei. Sogar ihn suche daher der Stolz heim – eine Eigenschaft, die zu den sieben Todsünden zählt und die der Herr nur in Ausnahmefällen vergibt. Sotschi gehört offenbar dazu.

IOC-Chef Thomas Bach lobt die russischen Organisatoren

Russland, sagte IOC-Präsident Thomas Bach, habe alle eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Die getroffenen Vorbereitungen würden keinen Zweifel daran lassen, dass die Spiele auf höchstem Niveau stattfinden. Am Vortag war Bach von russischen Medien sogar mit den Worten zitiert worden, die Spiele in Sotschi seien womöglich die besten, die es bisher gab.

Wer sich kritisch äußert, kriegt es mit der mehrfachen Stabhochsprung-Weltmeisterin und Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa zu tun. Sie ist die Bürgermeisterin des Olympischen Dorfs an der Küste. Von angeblichen Mängelrügen westlicher Olympioniken sei ihr nichts bekannt. Die Sportler seien happy über Unterkunft, Essen und Freizeitangebot.

Auch Putins Pressechef zeigte Kritikern prophylaktisch die Gelbe Karte. Einige Länder im Westen würden tagtäglich Kübel von Schmutz auskippen und versuchen, die Spiele in Sotschi politisch zu diskreditieren, rügte Dmitri Peskow in einem Interview für das linientreue Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“. „Starke, Erfolgreiche, Reiche und Gesunde werden nicht immer gemocht“, legte er nach und meinte damit offenbar auch einheimische Umweltschützer, die versucht hatten, die Endphase des olympischen Fackellaufs zu stören. Sicherheitskräfte – offiziell ist inzwischen sogar von 70 000 die Rede – „neutralisierten“ sie so schnell, dass kaum jemand etwas davon mitbekam. Weder in der Regionalhauptstadt Krasnodar noch in Sotschi, wo das olympische Feuer am Mittwochmorgen eintraf.

Gerüchte, wonach Alina Kabajewa, Olympiasiegerin der Rhythmischen Sportgymnastik und angeblich Putins Flamme, am Freitag das Olympische Feuer entzünden werde oder gar er selbst, dementierte Putin kategorisch. Russland habe „genug herausragende und weltweit bekannte Sportler“. Den Organisatoren werde es nicht schwerfallen, eine würdige Entscheidung zu treffen. Der Mann, der in einem Film, der zeitgleich zur Eröffnung ausgestrahlt wird, sogar die zündende Idee für Winterspiele in den Subtropen für sich in Anspruch nimmt, werde sich „in den Prozess nicht einmischen“. Ob man das glaubt, ist eine andere Frage.

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