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Sport: Der Generationenfrieden

Biathlet Sven Fischer hält die deutsche Konkurrenz noch einmal auf Distanz und wird in Oberhof Zweiter

Sven Fischer ließ im Ziel erschöpft den Oberkörper nach vorne fallen und atmete schwer. Er ignorierte das tobende Publikum, das den Zweiten des Verfolgungsrennens über 12,5 Kilometer feierte. 1,2 Sekunden hinter Fischer kam sein Oberhofer Vereinskamerad Alexander Wolf als Dritter ins Ziel. Er riss die Arme hoch, winkte den Fans zu und animierte sie zur Welle. Der unerwartete Erfolg setzte nach dem harten Rennen noch einmal Energien frei. Der 33 Jahre alte Fischer hat in dieser Saison schon vier Weltcuprennen gewonnen, für den sieben Jahre jüngeren Wolf war es erst der dritte Podestplatz seiner Karriere, den er mit einer fantastischen Laufleistung erreicht hatte. Als 14. war er ins Rennen gegangen und hatte sich bis kurz vor dem Ziel mit Fischer ein Duell um Rang zwei hinter dem Franzosen Raphael Poirée geliefert. Ricco Groß (34 Jahre) wurde Sechster, Michael Greis (28) Siebter, Daniel Graf (23) belegte Platz 19.

Fischer und Groß bleiben das Maß aller Dinge, doch die Konkurrenz im eigenen Team wächst. Sportler wie Wolf, die in der vergangenen Saison überhaupt nicht aufgefallen sind, stehen plötzlich im Blickpunkt. Graf, der in der vergangenen Saison als bestes Weltcupergebnis einen 35. Platz erzielt hatte, fand sich in Oberhof als Startläufer der Staffel wieder. Sie stehen auch für den Generationswechsel, der im deutschen Männerbiathlon eingeleitet ist. „Es ist schön, dass die Jungen die Lücke schließen, die Frank Luck und Peter Sendel hinterlassen haben“, sagte Bundestrainer Frank Ullrich.

Luck (37) und Sendel (34) bildeten jahrelang gemeinsam mit Groß und Fischer die deutsche Erfolgsstaffel und feierten gemeinsam WM- und Olympiasiege. Doch schon vor zwei Jahren forderten die Verantwortlichen des Deutschen Ski-Verbandes vom Bundestrainer, mehr junge Athleten einzusetzen. Ullrich weigerte sich – und behielt noch einmal Recht, als die Staffel in Sibirien erneut Weltmeister wurde. Bei der WM 2004 in Oberhof schaffte es Frank Luck nur noch mit Mühe in die Staffel, Sendel nicht mehr. Stattdessen kam Michael Greis zum Einsatz. Vor zwei Wochen nun hat Sendel nach unbefriedigendem Saisonbeginn seinen Rücktritt erklärt und den Weg frei gemacht für Graf, der seinen Platz nun gegenüber Wolf, Andreas Birnbacher (23) und Michael Rösch (21) verteidigen muss.

Beim Staffelrennen am Donnerstag in Oberhof bewies Graf bei seinem ersten Einsatz schon seine Souveränität. Überraschend bekam er am Schießstand Hilfe. Bevor Graf den ersten Schuss abgeben konnte, klappte eine seiner Scheiben bereits um. Der neben ihm stehende Slowene Janez Maric hatte versehentlich auf die Scheibe des Deutschen geschossen. Graf gab, ganz regelkonform, dennoch fünf Schüsse ab, erst in der Loipe begann er zu grübeln, ob er alles richtig gemacht hatte. Hatte er. Die deutsche Mannschaft belegte hinter Schweden Platz zwei. Dass es nicht zum ersten Platz reichte, lag nicht am Debütanten Graf, sondern am zehn Jahre älteren Fischer und dessen Schießfehlern.

Bundestrainer Ullrich fühlt sich „wie in einem Jungbrunnen“ und schwärmt von dem Nachwuchs. Graf etwa sei ein toller Typ: „Er ist unbekümmert, weiß aber auch, wann er sich zusammenreißen muss.“ Die Jungen profitieren von der Erfahrung und den Tricks der Alten, die Alten von der Lockerheit der Jungen. Daniel Graf hingegen formuliert es ganz nüchtern: „Es ist nicht so, dass wir uns hassen, wir respektieren uns.“ Die Zusammenarbeit sei produktiv, das schon, aber „wir sind eine Zweckgemeinschaft“ – allerdings eine ziemlich gute.

Sieben Läufer pro Nation dürfen in jedem Rennen eingesetzt werden, zum letzten Test nach Muonio (Finnland) kurz vor Saisonbeginn durfte Graf als Achter dennoch mit. „Das war doch klar: Einer fliegt raus, nachdem man sich monatelang den Arsch aufgerissen hat. Entsprechend groß waren Anspannung und Reibung“, erzählt Graf. Beim Weltcup-Auftakt in Beitostolen war er es dann, der zuschauen musste, „da sah ich schon meine Felle davonschwimmen“. Doch schon beim zweiten Weltcuprennen in Oslo holte er seine ersten Weltcuppunkte. Nach Sendels Rücktritt entspannte sich die Situation im deutschen Team. Gestern war es so erfolgreich wie lange nicht.

Helen Ruwald[Oberhof]

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