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Sport: Der Herausforderer

Sein alter Radstall musterte Ivan Basso aus – jetzt zeigt er, warum selbst Armstrong ihn fürchten muss

Plateau de Beille - Beinahe zwei Wochen lang rollte die Tour durchs Flachland – und die Favoriten taten nichts. Nichts, außer darauf zu achten, dass ihnen kein Sturz passiert. Zwei Wochen, in denen die verschiedensten Szenarien über den weiteren Verlauf dieser Tour de France ausgemalt und Spekulationen angestellt wurden, wer wann wo attackieren würde.

Dann kamen am Freitag und Samstag die ersten Tage im Hochgebirge, und alles war mit einem Mal anders. Jetzt reden nur noch Optimisten vom großen Duell Lance Armstrong gegen Jan Ullrich, an Iban Mayo glaubt überhaupt keiner mehr, und Tyler Hamilton, einer der offen ausgesprochenen Geheimfavoriten, hat das Rennen schon ganz aufgegeben. Im Gespräch sind stattdessen Andreas Klöden und Ivan Basso, der am Samstag nachlegte und erneut alleine mit Armstrong ins Ziel kam.

Basso also – jener 26 Jahre alte Italiener, den sein Teamchef bei Fassa Bortolo, der Großmeister des italienischen Radsports, Giancarlo Ferretti, im vergangenen Jahr ausgemustert hatte. Er habe keine Lust mehr, sagte Ferretti, „so viel Geld für einen Fahrer zu bezahlen, der nie etwas gewinnt“. Jetzt ist dieser Fahrer, dieser Ivan Basso mit einem Mal zum gefährlichsten Herausforderer von Lance Armstrong geworden. In der Gesamtwertung ist er schon Dritter.

Basso war der Einzige, der im Schlussanstieg nach La Mongie mit Lance Armstrong mithalten konnte. Und nicht nur das. Scheinbar mühelos konterte er auch jede Tempoverschärfung des Amerikaners und blieb dabei entspannt im Sattel sitzen wie Jan Ullrich in seinen besten Jahren, während Armstrong im Wiegetritt wild an seinem Lenker zerrte. Es schien keine Koketterie zu sein, als Armstrong im Anschluss behauptete, er habe Basso den Sieg gar nicht geschenkt, wie viele Beobachter zunächst glaubten.

Für den Mannschaftsleiter seines neuen Teams CSC, Bjarne Riis, ist die Stärke Bassos zwar eine Überraschung, aber keine große. Wie schon bei Jörg Jaksche oder Bobby Julich erkannte Riis bei Basso das Potenzial, das seine Kollegen nicht sehen wollten. Und wie schon bei anderen Fahrern verstand es Riis bei Basso, dieses Potenzial auszuschöpfen. „Bjarne hat eine fast magische Fähigkeit, alles aus den Leuten herauszuholen“, sagt Jens Voigt, der in diesem Jahr unter Riis ebenfalls wieder an seine beste Saison von vor drei Jahren anknüpft.

Im Fall von Ivan Basso war es eigentlich nicht schwer zu erkennen, was einmal aus ihm werden könnte. Er war 1998 Juniorenweltmeister, und in den Jahren 2001 und 2002 gewann er bei der Tour das Trikot für den besten Jungprofi. 2003 wurde er Siebter, doch um die Weiterführung dieses stetigen Aufwärtstrends abzuwarten, reichte die Geduld des hitzköpfigen Ferretti nicht aus.

Dabei hätte er nicht mehr lange warten müssen, wie sich nun herausstellt. Riis will Ivan Basso in zwei, drei Jahren zu einem Kandidaten für den Tour-Sieg aufbauen. In diesem Jahr sollte es ein Platz unter den ersten drei werden, nach der Etappe vom Samstag nach Plateau de Beille erscheint dieser Plan nicht einmal unrealistisch. Für den ganz großen Triumph, meint Basso, seien seine Qualitäten als Zeitfahrer noch nicht ausgereift genug: „Da nimmt mir Jan Ullrich drei Minuten ab.“ Allerdings war er am Freitag und Samstag jeweils gut zwei Minuten vor dem Deutschen.

Sebastian Moll

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