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Sport: Der inszenierte Alltag

Am Tag nach dem Ultimatum für Trainer für Huub Stevens wird bei Hertha BSC geschwiegen

Berlin. Die Kamerateams hatten Huub Stevens im Fokus. Was er trinken würde, wie er gucken würde, wie er sprechen würde. Sie hätten alles gesehen, jede Geste des Trainers von Hertha BSC. Aber Stevens tat ihnen nicht den Gefallen, er saß einfach da. Und schwieg.

Dienstagvormittag, 11.28 Uhr. Es ist der Tag nach dem Ultimatum für Huub Stevens. Es ist die Inszenierung einer Normalität, die es nicht geben kann. „Ich werde meine Arbeit weitermachen“, wird der Trainer später sagen. „Aber es kann mir keiner vorwerfen, ich hätte sie nicht schon vorher gemacht.“

Vorher. Das war vor der „Vereinbarung“, wie Manager Dieter Hoeneß das Ultimatum vom Vortag nennt. Nach dieser Vereinbarung wird das Arbeitsverhältnis zwischen Klub und Trainer beendet sein, wenn Hertha die nächsten beiden Spiele nicht gewinnt. Das heißt auch: Sollte Hertha das Spiel am Wochenende bei Hansa Rostock nicht gewinnen, sitzt er schon drei Tage später beim selben Gegner im DFB-Pokal nicht mehr auf der Bank.

Kann ein Mensch da am nächsten Morgen wirklich normal zur Arbeit erscheinen? Und so tun, als sei nichts passiert? Stevens versucht es zumindest. Als er den Trainingsplatz kurz nach 10 Uhr betritt, räumt ein Ordner noch die Reste des Fanprotests weg. Auf Plakate hatten Hertha-Anhänger „Versager!!!“ gesprüht und über die Werbebande gehängt. Vor einer Woche war das, als Hertha in Grodzisk verloren hatte und aus dem Uefa-Cup ausgeschieden war.

Alles auf Anfang bei Hertha.

Im Training geht es hart zu, aber nicht härter als sonst. Es ist nur auffallend laut. Die letzten Tage sind auch an der Mannschaft nicht spurlos vorbeigegangen, doch kein Spieler mag die Situation kommentieren. Bis zum Wochenende werden wir uns nicht äußern, sagt Marko Rehmer. Was sollen die Spieler auch sagen? Dass viele einen neuen Trainer erwartet haben, als Manager Hoeneß am Montag in die Kabine kam und dann doch verkündete, dass Stevens bleibt? Die Mannschaft war irritiert.

Von zwei Spielen hängt es ab, ob Stevens seinen Job behält. Doch selbst wenn Hertha beide Spiele gewinnen sollte – wenn anschließend der Erfolg ausbleibt, beginnt die Diskussion erneut. Angeblich hat Herthas Vorstand „einstimmig“ für diese Lösung votiert. So hat es Rupert Scholz verkündet, der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Aber waren sich auch wirklich alle so sicher?

Auf dem Vereinsgelände spielen sich skurrile Szenen ab. Zum Beispiel bei der routinemäßigen Gesprächsrunde, die Stevens kurz nach dem Training mit den Journalisten abhält. „Okay, der Huub steht euch jetzt zur Verfügung“, sagt Pressesprecher Hans-Georg Felder zur Begrüßung. Stevens macht den Anfang und erzählt, dass Michael Hartmann einen Haarriss im rechten Mittelfuß erlitten hat und bis zu sechs Wochen ausfallen wird. Und dass Dick van Burik mit einer Gehirnerschütterung noch immer im Bett liegt. Aber wer will das schon wissen – wie geht es Stevens? „Es geht nicht um mich“, sagt der. So geht das eine Weile, und irgendwann greift Felder ein und sagt, „was der Huub meint“. Da ist nämlich noch was Unangenehmes hinzugekommen: Stevens ist am Wochenende auf die Tribüne verwiesen worden, weil er den Leverkusener Assistenztrainer Ulf Kirsten geschlagen und beleidigt haben soll. Den Schlag dementiert der Trainer. Bis heute muss er eine Stellungnahme beim Deutschen Fußball-Bund abgeben. Wenn Stevens vom Sportgericht verurteilt wird, droht ihm ein Tribünenplatz. Und das in den beiden Spielen gegen Hansa Rostock, die über seine Zukunft entscheiden werden.

Zum Ende der Plauderstunde gestattet Huub Stevens dann doch noch so etwas wie einen Einblick in seine Gefühlswelt. „Würde euch das alles leicht fallen?“, fragt er in die Runde. „Sucht euch eine Antwort aus.“ Sein Blick wandert durch den Raum, dann steht er auf und geht. „Bis morgen“, sagt er noch. Bis morgen.

André Görke

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