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Sport: Der Kleinste sitzt in der Mitte

Von Benedikt Voigt Berlin. Wenn die Basketballprofis von Alba Berlin eine Flugreise antreten, beginnt unmittelbar nach dem Check-In ein Tauschgeschäft mit Boardkarten.

Von Benedikt Voigt

Berlin. Wenn die Basketballprofis von Alba Berlin eine Flugreise antreten, beginnt unmittelbar nach dem Check-In ein Tauschgeschäft mit Boardkarten. Am begehrtesten sind Plätze vor den Notausgängen, die besonders viel Raum bieten. Hier droht wenigstens nicht die Gefahr, dass sich George Zidek (2,13 Meter) oder Dejan Koturovic (2,10 Meter) in der Economy Class die eigenen Beine in den Brustkorb rammen. Kleinere Spieler wie Henrik Rödl (2,01 Meter) oder Jörg Lütcke (1,98 Meter) sind froh, wenn sie einen Platz am Gang ergattert haben. Nur einer begnügt sich freiwillig mit einem Sitz in der Mitte: Mithat Demirel.

„Manchmal denke ich, ein paar Zentimeter mehr wären nicht schlecht“, sagt Demirel, „aber wenn ich die Probleme der anderen sehe, bin ich ganz froh.“ Mithat Demirel misst einen Meter und achtzig Zentimeter, was im Flugzeug oder in Hotelbetten ein normales Maß ist. Auf dem Basketballfeld aber, im Spiel der Großen, gereicht das oft zum Nachteil. „Ich war im Basketball immer der Kleinste“, erinnert sich Mithat Demirel. Heute wird das nicht so sein, wenn Alba Berlin in Frankfurt bei den Opel Skyliners zum ersten Play-off-Halbfinale (14 Uhr) antritt. Da spielt Demirel, der Anfang der Woche noch Fieber hatte, gegen seinen Nationalmannschaftskollegen Pascal Roller. Dieser ist mit 1,80 Metern ebenfalls ein Winzling - im Basketball.

Endlich einmal, so sollte man meinen, muss der Berliner auf dem Spielfeld nicht den Kopf in den Nacken legen, um seinem Gegenspieler in die Augen zu sehen. Stimmt nicht, sagt Demirel, „im Spiel schaue ich dem Gegner immer nur auf den Bauch oder auf den Ball“. Angenehm sei das Duell mit dem flinken Aufbauspieler der Frankfurter auf keinen Fall. „Kleine Spieler sind meistens auch schneller, da kostet es in der Verteidigung viel Kraft, wenn man Druck machen will.“

In Frankfurt treffen auch die zwei Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft aufeinander, die beide gerne Aufbauspieler Nummer eins in der Startformation bei der Basketball-Weltmeisterschaft wären. Demirel, der einen deutschen und einen türkischen Pass besitzt, sieht das direkte Duell gelassen. „Der Vergleich in den Play-offs ist nicht so wichtig, die Plätze werden sowieso erst im Trainingslager vergeben.“

Da gibt es noch etwas, das irgendwie mit der Größe zusammenhängt. Im Basketball ist der Kleinste auf dem Platz zumeist der Chef, als Aufbauspieler hält er den Ball am längsten in den Händen, soll das Spiel lenken. Wenn man aber wie Demirel der Kleinste und mit 23 Jahren auch einer der Jüngsten im Team ist, ist es nicht einfach als Autorität im Team anerkannt zu werden. Noch schwieriger wird es, wenn man wie Demirel als zunächst einziger Zugang auf eine gefestigte Mannschaftshierachie trifft. „Die Autorität muss man sich erarbeiten, das dauert“, sagt Demirel. In den ersten fünf Monaten bei Alba tat sich der in Steglitz aufgewachsene Rückkehrer schwer. Was auch an einer chronischen Patellasehnen-Reizung lag, die ihn zu Saisonbeginn zu einer Operation zwang. „Das war die schlimmste Zeit meiner Karriere“, sagt Demirel, „zeitweise habe ich sogar überlegt, ob die Entscheidung richtig war, zu Alba zu gehen.“

Seit Anfang März aber hat er seinen Platz gefunden. Vor einer Woche in Leverkusen zauberte er einen Pass ohne hinzusehen zu Zidek, machte in elf Minuten acht Punkte, traf alle beiden Würfe hinter der Dreipunktelinie. Nun hat er das Selbstbewusstsein, das zu Saisonbeginn fehlte. „Der Knackpunkt lag im Spiel in Köln“, sagt Demirel. Weil Aufbauspieler Derrick Phelps damals fehlte, durfte er 35 Minuten spielen. „Plötzlich kamen alle zu mir und wollten den nächsten Spielzug wissen“, erinnert sich Demirel. In diesem Augenblick wusste der Kleinste, dass er in der Mannschaft angekommen ist.

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