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Sport: Der Kommissar geht um

Von Karin Sturm Magny-Cours. Manche Menschen ziehen Streit einfach an.

Von Karin Sturm

Magny-Cours. Manche Menschen ziehen Streit einfach an. Da gewinnt Michael Schumacher seinen fünften WM-Titel, holt sich so früh wie niemand zuvor die Weltmeisterschaft, kassiert Komplimente, Huldigungen und Verbeugungen von der Konkurrenz - und trotzdem ging sein Sieg von Magny-Cours wieder nicht ohne Ärger und Diskussionen ab. Nach dem Großen Preis von Frankreich wurden Erinnerungen an die vielen Streitereien um Schumacher in den vergangenen Jahren wach (siehe grauen Kasten).

Beim Streit über das entscheidende Überholmanöver gegen Kimi Räikkönen fünf Runden vor Schluss standen die meisten Beobachter erst mal auf Schumachers Seite. Es schien ganz einfach: Räikkönen hatte einen Fehler gemacht, als er auf die Ölspur fuhr, die der defekte Toyota von Allan McNish auf der Fahrbahn hinterlassen hatte. Der Finne rutschte von der Strecke. Was hätte Schumacher in diesem Moment tun sollen? Anhalten und warten, ob und wann Räikkönen wieder zurückkommt? Völlig logisch und normal, dass er weitergefahren ist, es war doch kein echtes Überholmanöver. Überholen nämlich ist in einer solchen unfallträchtigen Situation nicht erlaubt. Deshalb wurde die Gelbe Flagge gezeigt.

Beim näheren Betrachten der strittigen Szene aber kamen Zweifel an Schumachers Manöver auf. Denn in dem Moment, in dem der Ferrari tatsächlich an dem Silberpfeil vorbeifuhr, war Räikkönen quasi komplett wieder auf der Strecke – Schumacher drückte ihn sogar noch ein bisschen ins Gras zurück. Auch Schumacher selbst war sich in diesem Moment nicht sicher, ob alles in Ordnung war. Er gab zu: „Ich habe über Funk nachgefragt, aber das Team hat mir gesagt, es gäbe kein Problem.“ Doch ganz so einfach war es nicht.

Renndirektor Charlie Whiting machte Meldung über den Vorfall an die Sportkommissare – und das nicht nur, weil McLaren-Chef Ron Dennis per e-mail Aufklärung verlangte. Die Kommissare luden beide Fahrer und ihre Teamvertreter zu einer Anhörung – und entschieden dann nach gut neunzigminütigem Hin und Her, dass nichts unternommen werden müsse.

Die Sportkommissare waren sich allerdings, wie später zu hören war, durchaus nicht einig gewesen. Denn mit dieser Entscheidung wird ein Präzedenzfall geschaffen. Die aus Sicherheitsgründen bindende Anordnung der Gelben Flagge wird ausgehöhlt. Die Flagge bedeutet: „Überholverbot, langsam fahren“. Wie weit muss in Zukunft jemand von der Piste abkommen, damit die Gelbe Flagge nicht mehr gilt? Wäre es nur um einen Rennsieg gegangen, wäre die Entscheidung möglicherweise anders ausgegangen, wurde gemunkelt – aber so hing zu viel von einer Entscheidung ab. Schumacher war schon auf Pressekonferenzen und in Fernsehinterviews zum Weltmeister gekrönt, ihm den Titel noch einmal wegzunehmen, die Entscheidung mindestens um eine Woche bis nach Hockenheim zu verschieben, das hätte dem sowieso schon angeschlagenen Image der Formel 1 alles andere als genutzt.

Glück für Schumacher, Pech für Räikkönen, den eigentlichen Mann des Rennens. McLaren-Mercedes beließ es dann auch dabei, reichte keinen Protest mehr ein. „Wir hätten es für unangemessen gehalten, noch etwas zu unternehmen, was vom Ausgang der WM 2002 ablenken könnte“, lautete die offizielle Begründung. „Aber wir sind auch der Meinung, dass die Regeln, was das Überholen unter Gelber Flagge angeht, eindeutiger geklärt werden müssen."

Kimi Räikkönen bekam nach seinem so knapp verpassten ersten Grand-Prix-Sieg Trost von seinem finnischen Landsmann Mika Häkkinen. Der zweimalige Weltmeister schickte ihm sofort ein paar aufmunternde Worte per SMS aufs Handy.

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