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Sport: Der lange Lauf aufs Denkmal

Elvan Abeylegesse ist die erste türkische Leichtathletik-Weltrekordlerin

Die improvisierte Pressekonferenz in einem Hotel in Bergen begann kurios. Auf einem Sofa saß Elvan Abeylegesse, die neue Weltrekordlerin über 5000 Meter, flankiert vom Präsidenten ihres Istanbuler Klubs, Alparslan Tansug, und von ihrem Trainer, Ertan Hatipoglu. 20 Journalisten warteten vergeblich, dass das Trio damit beginnen würde, Fragen zu beantworten. Stattdessen sprachen die drei minutenlang türkisch in Mobiltelefone. Elvan Abeylegesse war am Freitagabend überraschend beim Leichtathletik-Meeting in Bergen, dem Auftakt der Golden-League-Serie, zu einem Medienstar geworden, nun klingelten pausenlos die Telefone. Denn die türkische Presse war nicht vorbereitet gewesen auf den Weltrekord. Kein einziger Reporter war nach Bergen gefahren, deshalb mussten jetzt alle telefonisch recherchieren.

Für die Türkei hat die 21-jährige Mittel- und Langstreckenläuferin am Freitagabend Sportgeschichte geschrieben. Die aus Äthiopien stammende Athletin, die mit 17 Jahren in die Türkei kam, wurde zur ersten türkischen Leichtathletik-Weltrekordlerin. Zwei Jahre nach dem überraschenden EM-Sieg durch Süreyya Ayhan über 1500 Meter hat die Türkei damit eine zweite Leichtathletik-Heldin. Nachdem Elvan Abeylegesse bereits ab Kilometer zwei selbst für das Tempo gesorgt hatte, lief sie vor 15 000 begeisterten Zuschauern nach 14:24,68 Minuten ins Ziel. Damit hatte Elvan Abeylegesse den sieben Jahre alten Weltrekord von 14:28,09 Minuten, den die Chinesin Jiang Bo aufgestellt hatte, um fast dreieinhalb Sekunden verbessert. Und die WM-Fünfte von 2003 hat in Bergen eine Legende übertroffen. 1924 hatte Paavo Nurmi den 5000-m-Weltrekord auf 14:28,2 Minuten geschraubt. Jetzt läuft die stärkste Frau über diese Distanz schon schneller als der legendäre Finne.

„Seit ich mit dem Laufen begonnen habe, wollte ich Weltrekordlerin und Olympiasiegerin werden. In Athen werde ich gewinnen“, sagte Abeylegesse. Ihr Trainer ist ebenfalls kein gebürtiger Türke. Ertan Hatipoglu kommt aus Bulgarien und war früher Dreispringer. Elvan Abeylegesse vergleicht er, etwas uncharmant, mit einem Auto: „Sie hat gute Reifen und einen prima Motor, der mindestens 250 PS hat.“ Den 5000-Meter-Weltrekord könne sie noch einmal unterbieten, sagt er. „Ich denke, 14:20 Minuten sind für sie möglich.“ In Athen wird Elvan Abeylegesse bei den Olympischen Spielen auch über 1500 m antreten. Dann könnte es im Finale ein türkisches Duell mit Süreyya Ayhan geben.

Die äthiopischen Funktionäre sind seit längerem nicht mehr gut auf Abeylegesse, die früher für Äthiopien gestartet war, zu sprechen. „Im letzten Winter wollte ich in Äthiopien trainieren, aber es wurde mir verboten“, sagt die Läuferin, die nur 40 Kilogramm wiegt und mit 3:58,28 Minuten auch die Jahresweltbestenliste über 1500 Meter anführt. Seitdem absolviert sie das Höhentraining in der Türkei — im Winter teilweise auf schneebedecktem Boden.

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