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Jordan Spieth: Höflich, hilfsbereit, gut erzogen.

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Der neue Golf-Superstar Jordan Spieth: Ein Junge vom alten Schlag

Den neuen Star der Golf-Szene, Jordan Spieth, lassen Vergleiche mit Tiger Woods kalt. Der 21-Jährige will einfach nur normal bleiben. Ein Porträt.

Die Person Ben Hogan hat Jordan Spieth in den letzten Wochen beschäftigt. Die Golflegende war Texaner, wie Spieth. Hogan gewann 1953 zuerst die US Masters in Augusta und anschließend die US Open – so wie Spieth in diesem Jahr. Hogan aber legte noch einen nach – er holte sich den British-Open-Titel in Carnoustie. Keinem Profi nach ihm ist dieses Triple gelungen. Jetzt allerdings hat Spieth die Chance dazu. „Ich denke an ihn als den Typen, der zum Training auf die rechte Seite der Driving Range gehen würde, so dass er mit dem Rücken zu all’ den anderen Spielern steht, damit er sich völlig auf sein eigenes Spiel konzentrieren kann und darauf, wie er den Platz spielt“, hat der 21-Jährige seine Verbundenheit mit Hogan beschrieben.

Spieth selbst ist fest entschlossen, es genauso zu halten wie sein großes Vorbild: Er wird sein Ding machen – jetzt, wo alle Welt an ihm zerrt, wo jeder Tipps für ihn bereithält und jeder seiner Schläge Länge mal Breite von Golfexperten durchdiskutiert wird. Denn Jordan Spieth ist ein Superstar. Seit dem 30. November hat er 13 Top-Ten-Platzierungen und insgesamt sechs Siege erzielt. Er hat die US Masters souverän und im Alleingang genommen. Hat bei der US Open in Chambers Bay mit einem Schlag gewonnen. Auf diese Weise hat man zwei Seiten von Spieth kennengelernt: Den coolen Strategen und den emotionalen Kämpfer. Sein letzter Sieg datiert gerade mal auf den letzten Sonntag zurück. Da gewann er die John Deere Classic in Texas. Seinem Lauf an die Spitze der Weltrangliste hat das gut getan.

Bei den British Open geht es darum, die Windverhältnisse zu verstehen

Jetzt ist er hier, in St. Andrews, mittendrin im Gewühl aus zigtausend Zuschauern, Journalisten und Offiziellen. Er hat den Old Course zu Hause im Keller auf seinem Golf-Simulator mehrfach gespielt, um die Löcher kennenzulernen. Als er am Samstagmorgen um 7.15 Uhr am 14. Grün steht, um seine zweite Runde zu Ende zu spielen, merkt er aber: Der virtuelle Old Course und die Realität haben nichts miteinander gemein. Der Wind heult in Böen über den Platz, die Fahnenstangen beugen sich im Wind. Golf ist ein Lotteriespiel geworden. „Man kann den Golfplatz im Simulator sehen, und das ist fantastisch“, hat Tiger Woods angemerkt. „Aber wenn man in St. Andrews spielt, geht es darum zu verstehen, wie sich der Platz bei unterschiedlichen Windverhältnissen verhält.“

Woods hat dieses Major in St. Andrews zweimal gewonnen. Sein Spiel heute hat allerdings mit jenem der Jahre 2000 und 2005 nichts mehr gemein. Als Spieth am Samstag unzufrieden seinen Putter durch die Gegend schwingt, weil er einen kurzen Putt verpasst hat, wird die Scorekarte von Woods am 13. Loch vom Wind verweht. Ein Fernsehtechniker rennt ihr hinterher, tritt darauf, gibt sie Woods zurück. Der 39-Jährige lacht. Aber angesichts der Tatsache, dass er den Cut nicht überstehen wird, mag der einzige Grund zum Lachen darin bestehen, dass ihm auch ein junger Superstar wie Spieth seine 14 Major-Siege nicht mehr streitig machen kann.

Spieth wehrt sich gegen die Vergleiche mit Tiger Woods

Der junge Texaner wehrt sich allerdings gegen den Vergleich mit Woods, der doch so naheliegt: „Seine Leistungen fanden auf einem gänzlich anderen Niveau statt, das bis dahin überhaupt noch nie jemand gesehen hatte“, sagt Spieth. Doch wie Woods ist er der einzige Spieler, der zwei US-Amateur-Titel gewann. Nach Woods ist er der erste Spieler, der nacheinander die Titel bei den US Masters und US Open holte. Wie damals Woods mit 21 Jahren ist Spieth ein extrem junger Major-Champion, scheinbar zu allem fähig. „Wenn mich die Leute nach diesen Parallelen fragen, versuche ich sie abzuschütteln“, sagt Spieth.

Gut so, denn in vielerlei Hinsicht haben diese beiden Superstars gar nichts miteinander gemein: Tiger Woods ist mit Drill aufgewachsen, hat stets unter den Augen seines Vaters Earl Woods Bälle geschlagen. Seine Kindheit in Kalifornien war ein Trainingslager, sein Erfolg geplant und Schritt für Schritt festgelegt. Das spielerische Entdecken des Golfsports wie Spieth hat er nie gehabt. Verglichen mit Woods, aber auch mit dem Weltranglistenersten Rory McIlroy, die beide schon als sechsjährige Golf-Wunderkinder ihre ersten TV-Auftritte hinter sich hatten, war Spieth im Alter von zehn Jahren noch ein Allerweltsgolfer. Einer, der seine Freizeit mal beim Baseball, mal auf der Driving Range verbrachte. Der mit seinen Kumpels ins Gruppentraining seines Clubs ging und die Turniere vor Ort bestritt.

Jordan Spieth: Spätstarter und Perfektionist

Einzeltraining hat er zu Hause in Dallas als Kind nie bekommen. Aber er war ein Perfektionist; einer, der sich stur in den Bunker stellt und zur Not auch 200 Bälle schlägt, um auszuprobieren, wie eine bestimmte Flugbahn funktioniert, während die Freunde längst abgezogen sind. Als er zwölf Jahre war, hatte Jordan Spieth die Turnierszene in Texas auf jeden Fall im Griff. Aber anders als bei McIlroy und Woods, an deren Schwüngen von klein auf gearbeitet und gefeilt wurde, war seine Technik ein Graus: „Damals hatte ich eine Riesenschleife in meinem Schwung, einen schwachen Griff, war falsch ausgerichtet, die Schultern standen falsch und ich habe eine Art Push-Draw gespielt“, beschrieb Jordan Spieth seinen Schwung gegenüber der Zeitschrift „Golf World“.

Cameron McCormick, der ihn 2005 als Coach übernahm, hatte reichlich Arbeit mit ihm: „Er war faszinierend“, sagt McCormick heute. „Das war ein extrem begabtes Kind, das man nicht kaputtmachen will, der aber völlig eindimensional war.“ Der Australier lernte Spieth als extremen Schnelllerner kennen, einen Jungen mit Intuition und Zielstrebigkeit, der sich von da an zum jugendlichen Superstar entwickelte. Zweimal gewann er die US Amateur Championship und führte die Weltrangliste der Amateure an.

Jordan Spieth: Höflich, hilfsbereit, gut erzogen.

Jordan Spieth: Höflich, hilfsbereit, gut erzogen.
Jordan Spieth: Höflich, hilfsbereit, gut erzogen.

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Trotzdem ist der Amerikaner im internationalen Golf vergleichsweise lange unter dem Radar geblieben. Vielleicht deshalb, weil er, verglichen mit Woods und auch McIlroy, extrem normal wirkt. Der Nordire McIlroy war mit 21 Jahren längst im Jetset angekommen, reiste mit Freundin Caroline Wozniacki um die Welt und wurde an der Seite der Weltklasse-Tennisspielerin zu einem Twitterstar. Der Kollege Woods dagegen hüllte sich in eine Aura der Unantastbarkeit. Er tauchte bei der British Open im Morgengrauen auf, gab sein Innerstes nie preis und pflegte das Image des dominanten Superstars, bei dessen Anblick die Konkurrenz am ersten Abschlag auf halbe Größe schrumpfte.

Spieth ist der nette Kumpel-Typ geblieben. Höflich, hilfsbereit, gut erzogen. Vielleicht auch deshalb, weil der junge Mann zu Hause nur eines von drei Kindern ist. Und mit einer behinderten Schwester obendrein ein Geschwisterchen hatte, das stets weit mehr Aufmerksamkeit benötigte als er selbst – egal, ob er nun zum Golfstar avancierte oder nicht. „Irgendwie muss man noch ein Leben führen“, hat Spieth kürzlich resümiert, nachdem er sich mit ein paar Freunden ein paar nette Tage auf den Bahamas gemacht hatte. Die Tatsache, dass er rein theoretisch die Chance hat, als erster Profi alle vier Majors in einem Jahr zu gewinnen und damit den sogenannten modernen Grand Slam zu holen, soll nicht dazu führen, dass er all’ seine Werte über den Haufen wirft.

Rückkehr zum ersten Triumph als Zuschauermagnet

Auch deshalb hat er die John Deere Classic am vergangenen Wochenende bestritten. Der Turnierveranstalter hatte ihm 2012 bei seinem Start als Profi eine Wild Card gegeben, hier hat er 2013 seinen ersten Sieg geholt. Für Spieth war stets klar, dass er sich nun mit seiner Teilnahme als Zuschauermagnet revanchiert und deshalb auf ein Wochenende mehr Training in St. Andrews verzichtet.

Auch den Tipp, bei den Proberunden ein paar Veteranen wie Bernhard Langer, Mark O’ Meara oder Phil Mickelson um Rat zu fragen, hat er zugunsten seiner Kumpel ignoriert. 46 Probelöcher hat er hier in Schottland gespielt, keines davon mit einem wirklich erfahrenen Spieler. Auf die Runde ging er stattdessen mit Ryan Palmer, 38 Jahre alt, Oliver Schniederjans, 22 und Amateur, Matt Jones, 35, Brooks Koepka, 25, sowie J.B. Holmes, dem Einzigen, der schon einmal eine British Open in St. Andrews absolviert hatte. „Na ja, tonnenweise Erfahrung hat er natürlich nicht hier“, merkte Spieth später zum Mitspieler Jones an, „aber es hat echt Spaß gemacht, mit ihm zu spielen.“

Die Feuerprobe in St. Andrews jedenfalls hat Jordan Spieth am Donnerstag und Freitag überstanden. Souverän spulte er seine erste Runde ab, puttete sicher und leistete sich keine groben Schnitzer. Mit fünf unter Par, einer 67er Runde, hatte er Tuchfühlung zur Spitze, an der sein Flightpartner Dustin Johnson lag. Auf den ersten neun Löchern traf er alle Fairways und Grüns perfekt und diskutierte vor jedem Schlag die möglichen Optionen mit seinem Caddie Michael Greller durch. „Meine Strategie“, sagte er, „war es, mich nach Runde eins in Position zu bringen.“

Während Runde zwei aber ging dem erfolgreichen Duo im stürmischen Wind der Faden verloren. „Wenn wir gutes Wetter wollten, würden wir in Kalifornien spielen“, hatte Spieth zwar noch vor Beginn der Runde gesagt. „Wir kommen hier rüber, weil wir uns auf die Gelegenheit freuen, mit solchen Spielbedingungen umgehen zu müssen.“ Die Freude war allerdings spätestens am elften Loch dahin. Spieth jagte seinen Abschlag mit einem ordentlichen Slice irgendwo weit rechts ins Abseits. Und hatte reichlich damit zu tun, sein Rundenergebnis für diesen Tag nur bei Par (Platzstandard) zu halten.

"Hätten niemals überhaupt starten sollen"

Am frühen Abend erst war er zusammen mit Dustin Johnson und Hideki Matsuyama auf die Runde gegangen. Da hatte sich der Wind leicht gelegt, aber das Licht wurde schlechter. Die Fortsetzung der Runde am nächsten Morgen um 7.15 Uhr begann mit einem Kampf gegen den Wind. Angesichts der heulenden Böen draußen zwischen den Dünen, schien Spieth schon froh, drei Löcher mit Par zu absolvieren, bevor das Spiel von den Offiziellen des R&A-Golfclubs erneut abgebrochen wurde. „Wir hätten niemals überhaupt starten sollen“, lautete der Kommentar des Weltranglistenzweiten zu der verfahrenen Situation, die sich ihm nun in St. Andrews bot. Der Sturm dauerte den ganzen Tag über an, für Samstag und Sonntag konnte nur das Ende der zweiten und dritten Runde eingeplant werden konnte, der Finaltag wurde auf diesen Montag verschoben.

Ein Chaos wie dieses allerdings stört den jungen Mann nicht. Mit 21 Jahren ist all’ das auch Teil eines großen Abenteuers. Und wenn es um die British Open geht: Spieth ist seltsame Umstände gewöhnt. Vor zwei Jahren, in Muirfield, kam er nur aufgrund seines Sieges bei der John Deere Classic ins Feld. Er erreichte Edinburgh mit einem Nachtflug, ohne frische Klamotten oder ein Handy mit internationalem Tarif. Den Cut schaffte der Teenager mit Bravour, am Ende landete er auf Platz 44. Verglichen damit ist seine – in den letzten Tagen so häufig kritisierte – Vorbereitung für die Open in St. Andrews geradezu ausufernd intensiv gewesen. Jordan Spieth allerdings stört das Gemäkel ohnehin nicht. Er hält es wie Ben Hogan – und dreht den anderen den Rücken zu.

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