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Noch gut fünf Monate. Erlingur Richardsson, 42, tritt im Sommer 2015 die Nachfolge von Dagur Sigurdsson an.

© imago/GEPA pictures

Der neue Trainer der Füchse Berlin: Erlingur Richardsson: "Akribisch, geduldig, mit klarem Plan"

Am Sonntag empfangen die Füchse Berlin den Tabellenzweiten Rhein-Neckar Löwen. Im Interview spricht der ehemalige Berliner Publikumsliebling Konrad Wilczynski über den neuen Trainer des Handball-Bundesligisten: den Isländer Erlingur Richardsson.

Herr Wilczynski, am Montag haben die Füchse Berlin die Verpflichtung Ihres Trainers Erlingur Richardsson für die neue Saison Saison bekannt gegeben. Wie sind Sie eigentlich auf ihn aufmerksam geworden?

Wir haben damals einen Rohdiamanten gesucht, weil die wirtschaftlichen Möglichkeiten bei uns begrenzt sind. Deshalb war klar, dass wir keinen großen Namen verpflichten können. Vielmehr haben wir einen fachkundigen Trainer gesucht, der bis zu diesem Zeitpunkt keine Chance im Ausland bekommen hat – und dann sind wir über unsere isländischen Kontakte, über Spieler und Trainer, auf Erlingur Richardsson gestoßen. In den Gesprächen haben wir sein Potenzial sehr schnell erkannt und ihn dann verpflichtet.

Die SG West Wien ist mit ihm im Moment Tabellenführer in Österreich. Jetzt geben Sie Ihren Erfolgstrainer im Sommer ab.
Glauben Sie mir: Es war keine einfache Entscheidung, weil er bisher sehr gute Arbeit gemacht hat. Wegen der persönlichen Verbindung zu den Füchsen haben wir aber gesagt: Wenn er die Chance bekommt, in der Bundesliga zu coachen, wollen wir ihm das ermöglichen. Wir hätten den Wechsel sicherlich verhindern können, wenn wir unbedingt gewollt hätten. Trotzdem sind wir das Thema von Beginn an sehr offensiv angegangen, weil wir es auch als Auszeichnung für unseren Verein verstehen, den nächsten Trainer für die Füchse Berlin ausgebildet zu haben. Bis letzte Woche wussten viele, glaube ich gar nicht, dass in Wien guter Handball gespielt wird, jetzt waren sogar deutsche Fernsehteams bei uns, um Beiträge über Erlingur zu drehen. Für uns als Klub bedeutet das einen großen Image- und Popularitätsgewinn.

Konrad Wilczynski, 32, spielte fünf Jahre für die Füchse Berlin. Heute arbeitet er als Manager bei der SG West Wien – dem aktuellen Klub des künftigen Füchse-Trainers Erlingur Richardsson.

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Was zeichnet Erlingur Richardsson denn als Typ aus? Worauf legt er großen Wert?
Was mir bei ihm vom ersten Moment an gefallen hat, ist seine Arbeitseinstellung und wie er die Dinge angeht. Erlingur hat einen ganz konkreten Plan, wie er spielen lassen möchte und weiß auch – viel wichtiger – wie er diesen methodisch umsetzen kann. Er hat nicht nur das Ziel vor Augen, sondern kennt auch den Weg dorthin. Zudem kennt er sich auf taktischem Gebiet bestens aus und kann das eigene Team sehr gut auf den Gegner vorbereiten.

Irgendwelche Schwächen?
Was er noch nicht so gut kann, ist Deutsch sprechen. Erlingur versteht die meisten Sachen zwar schon ganz gut, aber wenn er sich selbst ausdrücken soll, tut er sich noch schwer. Bei uns hat das bisher mit seinem Englisch so gut funktioniert, dass wir nicht umgestellt haben.

Richardsson wird neben Alfred Gislason in Kiel und Geir Sveinsson in Magdeburg der dritte isländische Coach in der Handball-Bundesliga sein, Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson arbeitet zudem als Nationaltrainer.Wie erklärt sich diese Quote?
Isländische Trainer sind spezielle Fachleute, sehr akribisch, mit klarem Plan, gut im Umgang mit jungen Leuten, geduldig. Das liegt nicht zuletzt an den Strukturen in Island: Da wollen junge Leute Trainer werden und das auch als Beruf verstanden wissen. In Österreich zum Beispiel wird das eher nebenbei gemacht.

Hat Erlingur Richardsson in Wien junge Spieler entwickelt, die perspektivisch für die erste Mannschaft in Frage kommen?
Definitiv. Wir haben in dieser Saison elf eigene Spieler eingesetzt, die irgendwann vor zehn Jahren mit dem Handballspielen in Wien angefangen haben. Sie spielen noch nicht dauerhaft und konstant, bekommen aber immer wieder ihre Chance. In dem Fall gilt der alte Spruch: kein Wettkampf kann Trainingseinheiten ersetzen. Deshalb muss man die jungen Leute irgendwann einfach bringen und ihnen eine Perspektive aufzeigen.
Sie haben selbst fünf Jahre in der Bundesliga gespielt, 2008 waren Sie sogar Torschützenkönig. Welche Tipps geben Sie Erlingur Richardsson mit auf den Weg?
Ganz einfach: Nicht vor Ehrfurcht erstarren, sondern genau so weitermachen wie in Wien. Er verfügt über das notwendige Know-How, und von den veränderten Rahmenbedingungen in der Bundesliga, etwa dem vergleichsweise großen Medienaufkommen, sollte er sich nicht abbringen lassen. Ich bin mir sicher, dass er vom Typ und von der Philosophie zu den Füchsen passt, es gibt viele Parallelen. Erlingur wird seinen Weg machen.

Was bekommt Ihr Verein West Wien eigentlich im Gegenzug dafür, dass Sie Ihren Trainer nach Berlin schicken?
(lacht) Noch ist nichts Konkretes vereinbart, aber ich habe Füchse-Manager Bob Hanning so kennengelernt, dass er solche Sachen nicht vergisst. Es wird die Zeit kommen, in der wir von dieser Entscheidung profitieren werden.

Das Gespräch führte Christoph Dach

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