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Sport: Der polnische Brand

Bogdan Wenta hat viel vom Bundestrainer gelernt. Nun trifft er im Finale auf ihn

Es war in der zweiten Halbzeit des dramatischen WM-Halbfinales zwischen Polen und Dänemark, als Bogdan Wenta seinen Schützling Rafal Kuptel anblaffte. Weil der Abwehrstratege nach einem Ballgewinn nicht schnell genug auf die Bank geeilt war, um einem Angreifer Platz zu machen, rastete Polens Handball-Nationaltrainer aus. Auf der anderen Seite trat der Trainer in der Hamburger Color Line Arena aber sehr fürsorglich für seine Spieler auf, als er sich während der Verlängerung ein Handtuch schnappte, um den schweißnassen Ball für den Siebenmeterschützen Tomasz Tluczynski trocken zu wischen.

Bogdan Wenta sieht sich als eine Art polnischer Heiner Brand, natürlich ohne den opulenten Oberlippenbart. Doch von der Contenance, die dem Bundestrainer eigen ist, ist der Heißsporn ein gutes Stück entfernt. Beim Vorrundensieg der Polen gegen Deutschland im ostwestfälischen Halle hat sich Wenta derart daneben benommen, dass er mit einer Zweiminutenstrafe belegt wurde, die einer seiner Spieler absitzen musste.

Das Verhältnis zwischen Brand und Wenta ist ein besonderes. Der Mann aus Gummersbach machte Wenta einst zum Spieler seiner Nationalmannschaft, was möglich war, weil der in Danzig geborene Wenta deutsche Großeltern hat. Der Rückraumspieler sagte unter der Bedingung zu, dass er niemals gegen sein Heimatland Polen antreten werde. Zu dem Fall ist es in den 50 Länderspielen, die Wenta für Deutschland bestritt, nie gekommen. Nach seiner Laufbahn arbeitete der Wahl-Deutsche vier Jahre als Trainerassistent in Flensburg, bevor er in Magdeburg seine erste Chefrolle übernahm.

Mit Heiner Brand verbindet Wenta eine Männerfreundschaft. „Natürlich werde ich nach dem Finale mit ihm ein Bier trinken. Aber während des Spiels ist er – verzeihen Sie den Ausdruck – mein Feind, den ich schlagen will.“ Wenta bezeichnet Brand als Lehrmeister. „Ich habe viel gelernt von ihm. Zum Beispiel, wie man in Strukturen arbeitet, oder wie man mit einer Mannschaft umgeht.“ Offenbar hat der Lehrling genau hingeschaut, schließlich stehen die Polen am Sonntag in Köln gegen Deutschland im WM-Finale, erstmals in ihrer Handball-Geschichte, was Tluczynski, der für den deutschen Zweitligisten TSV Burgdorf aufläuft, in historische Dimensionen einordnet: „Das ist der größte Moment im polnischen Handball. Für unsere ganze Nation ist das eine bedeutende Sache.“

Der Höhenflug trägt deutlich die Handschrift von Bogdan Wenta, über den Torwart Adam Weiner (Wilhelmshafen) sagt, er würde „am liebsten noch selbst auflaufen, aber das machen seine Knochen nicht mehr mit.“ Wenta ist es gelungen, aus einer Anzahl von Individualisten ein funktionierendes Team zu formen. Er selbst sagt: „Früher hatte Polen nur gute Einzelspieler, jetzt haben wir eine gute Mannschaft.“ Gleich neun Akteure aus dem Kader verdienen ihr Geld bei deutschen Klubs.

Wenta nahm seinen Spielern auch die Angst vor der scheinbar übermächtigen Konkurrenz, indem er zu WM-Beginn im Beisein der Akteure das Spielfeld und die Tore ausmaß: „Ich wollte den Jungs zeigen, dass es hier das gleiche Spiel ist wie bei uns in Polen.“ Die Botschaft ist angekommen, auf ihrem Weg ins Finale hat die Sensationsmannschaft der WM ein unerschütterliches Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufgebaut.

Gegen Dänemark hatten sich die Polen nach zwei Verlängerungen dermaßen verausgabt, dass es Krzysztof Lijewski vom HSV Hamburg erst einmal schwer fiel, „die richtigen Worte zu finden“. Dann sagte er: „Ich bin kaputt, tot, aber ein glücklicher Mann.“ Beim Finale in der Kölnarena glauben die Polen fest an ihre Siegeschancen. „Wir werden volle Pulle spielen“, sagt der Magdeburger Grzegorz Tkaczyk, „und dabei ist es uns scheißegal, ob wir gegen das Publikum spielen.“ Schließlich, so betont Lijewski, habe man den Finalgegner ja bereits geschlagen: „Deutschland hat Angst – nicht wir.“

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