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Sport: Der Schnellste aller Zeiten

Juan Carlos Valeron ist Spaniens neuer Liebling

Den spanischen Fans stockte kurz der Atem. Eine Stunde war gespielt im Estadio Algarve in Faro, es stand immer noch 0:0 gegen Russland. Und dann das: An der Seitenlinie deutete sich ein Spielerwechsel an. Der Stürmer Fernando Morientes musste das Feld verlassen. Die spanischen Fans waren sich mit ihren Gefühlen nicht sicher: Sollten sie pfeifen, weil ihr Liebling vom Rasen schlich, oder sollten sie jubeln, weil Juan Carlos Valeron, der große Stratege, den Rasen betrat? 20 Sekunden später nahm er ihnen die Entscheidung ab. Valeron schoss ein Tor.

Die vielleicht 15 000 spanischen Fans in der Arena tobten vor Begeisterung, während Valeron auf dem Boden liegend fast erdrückt wurde von seinen Mitspielern. Es dauerte ein paar Minuten, ehe sich die Szenerie beruhigt hatte. Erst dann realisierten die meisten, dass Valeron soeben das schnellste Tor der EM-Geschichte nach einer Einwechslung gelungen war. Auf der anschließenden Pressekonferenz feixte sich Trainer Inaki Saez eins. „Das war von mir so geplant worden“, sagte der Spanier und spitzte seinen Mund.

Etwas überraschend war es schon, dass ausgerechnet Valeron das Tor des Spiels schoss. Nicht, dass die Spanier es viel lieber Fernando Morientes, dem diesjährigen Toptorjäger in der Champions League, gegönnt hätten. Vielmehr hat sich Valeron in seinen bisherigen 39 Länderspielen für Spanien im Toreschießen vornehm zurückgehalten – der Treffer zum Sieg über Russland war erst sein vierter überhaupt. Der 29-Jährige hat andere Zuständigkeiten auf dem Rasen. Es gibt in ganz Europa nur sehr wenige Spielgestalter, die sich mit seinen Fähigkeiten messen können, auch wenn das bisher die wenigsten mitbekommen haben. Dieses Schicksal teilt er übrigens mit seinen Mannschaftskollegen von Deportivo La Coruna, die sich maximal nationaler Bewunderung erfreuen dürfen.

Valeron ist ein Genie im Raum. Noch bevor er den Ball zugespielt bekommt, hat er gedanklich mehrere Abspielmöglichkeiten durchgespielt. Bei Deportivo profitieren davon vor allem die schnellen Stürmer Alberto Luque und Diego Tristan, die er nicht selten mit einem so genannten tödlichen Pass bedient. Der 1,84 Meter große Mittelfeldspieler verfügt über eine makellose Technik und eine beidfüßige Passpräzision. Dieser Umstand versetzt ihn in die seltene Lage, Pässe aus allen erdenklichen Situationen über beliebige Entfernungen zu schlagen. Auch deshalb wird er in Spanien „unser Zidane“ genannt.

Dass nach dem Abpfiff der junge Vicente zum Spieler des Matches gewählt wurde, störte die spanischen Fans keineswegs. Seit gestern haben sie einen neuen Liebling.

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