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Sport: „Der Stolz der Familie entscheidet mit“

Der ehemalige Talentspäher Erdal Keser sagt, warum in Deutschland geborene Türken lieber für die Heimat der Eltern spielen

Erdal Keser, 47, wuchs im westfälischen Hagen auf. Der gebürtige Türke spielte als Fußballprofi für Borussia Dortmund, Galatasaray Istanbul. Nach seiner aktiven Karriere baute er 1998 das Europabüro des türkischen Verbandes mit auf. Dort suchten Talentspäher in Europa nach Spielern mit türkischen Wurzeln.

Herr Keser, bei der EM sind nur noch zwei Spieler im türkischen Kader in Deutschland geboren. Das waren ja schon mal mehr, zu Ihren Zeiten als Späher, oder?

Ja, das leidet ein bisschen, seitdem ich das nicht mehr mache. Das ist schade, denn in den nächsten fünf bis zehn Jahren gibt es sehr viele gute Spieler in Europa mit türkischen Wurzeln.

Wie haben Sie es überhaupt geschafft, Spieler wie die Altintop-Zwillinge zu motivieren, für die Türkei zu spielen?

Natürlich haben wir uns für die Spieler schon interessiert, bevor sie in der Bundesliga den Durchbruch geschafft haben. Und dann haben wir an die Familien, an den Stolz der Eltern appelliert. Denen war das schon wichtig, für wen ihre Söhne spielen. Aber letztlich ist es doch immer die Entscheidung des Einzelnen. Wir haben da eben die richtigen Spieler entdeckt, der Deutsche Fußball-Bund hat sich damals eben zu wenig darum gekümmert. Dann waren die Talente eben weg. Aber das hat sich geändert. Und außerdem: Inzwischen hat doch auch fast jedes Team seinen Brasilianer. Wir haben einen, die Polen, die Deutschen ...

Die Nationalteams verpflichten ihre Spieler nach dem Muster von Klubmannschaften ...

Stimmt. Wenn das so weitergeht, wird sich der Weltverband wohl etwas einfallen lassen. Aber das internationale Denken setzt sich durch.

Bei den in Deutschland geborenen Türken scheint das aber nicht der Fall zu sein. Die wollen nicht für Deutschland spielen, oder?

Oft noch nicht. Aber Kinder aus der dritten oder vierten Generation könnten als Eltern anders denken als ihre Eltern heute. Außerdem ändert sich ja schon etwas. In der Schweiz sind inzwischen drei türkischstämmige Spieler die Leistungsträger im Nationalteam, in der österreichischen Mannschaft spielt mit Ümit Korkmaz ein ganz großes Talent. In Deutschland gab es ja auch schon einen türkischstämmigen Nationalspieler, Mustafa Dogan.

Aber das ist neun Jahre her, und Dogan hat nur zwei Länderspiele gemacht.

Stimmt, dann nehmen wir halt Mehmet Scholl als Beispiel (lacht).

Der ist ein Scheidungskind. Scholl hat eine deutsche Mutter und hat seinen leiblichen Vater erst vor wenigen Jahren kennengelernt.

Dann hat er eben türkische Gene. Nein im Ernst: Ich glaube schon, dass es bald in Deutschland auch einen Spieler mit türkischen Wurzeln geben kann. Erdal Kilicaslan war ja auf dem besten Wege dahin. Er war sogar Kapitän des deutschen U-21-Teams und wurde bei Bayern München schon als großes Talent hochgelobt. Schade, dass er es nicht geschafft hat. Nun wird eben ein anderer zum Vorbild.

Der Fall Kilicaslan zeigt aber auch, dass es nicht einfach ist, den Sprung von Nachwuchsteams bis nach oben zu schaffen, oder?

Das mag sein. Auf der anderen Seite spielt die Türkei nun auf viel höherem Niveau als noch vor einigen Jahren. Da bleiben viele vielleicht doch in ihrem Geburtsland. Es ist ja jetzt schon schwerer, in die türkische Nachwuchsnationalmannschaften hineinzukommen als in die Schweizer oder österreichischen Teams. Die Entwicklung in der Türkei ist sehr positiv. Ich rechne mit einem offenen Spiel am Mittwoch gegen Deutschland.

Das Gespräch führte Claus Vetter.

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