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Sport: Der Trainer bleibt – vorerst Union verliert erneut, aber

Mirko Votava darf weitermachen

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Nur kurz hellte sich die ansonsten durchweg finstere Miene von Mirko Votava auf. Sein Berufskollege Dieter Hecking hatte just einen Appell an Votavas Vorgesetzte gerichtet. „Ich hoffe, dass man bei Union jetzt die Ruhe behält“, sagte Hecking, der Trainer des VfB Lübeck. Der Rat klang freundlich und ein bisschen allgemein, war aber speziell darauf gemünzt, dass sich der Gegner in der Trainerfrage doch jetzt bitte schön nicht zu Schnellschüssen hinreißen lassen solle. Votava hatte das genauso verstanden. „Danke für die netten Worte“, erwiderte er.

Derlei freundliche Unterstützung ist Mirko Votava gar nicht mehr gewohnt. Am Freitagabend, unmittelbar nach dem 1:2 gegen Heckings Lübecker, musste sich der Trainer des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union beim Gang zur Kabine verbale Anfeindungen von ein paar Dutzend Fans anhören. Votava fand sogar noch Verständnis für die, die da am Stadionzaun lauthals grölten und pöbelten. „Dass die Leute so drauf sind, ist doch kein Wunder“, sagte er. Unions sportliche Lage stellt sich nach sechs Spieltagen in der Tat reichlich trostlos dar: Die Mannschaft ist mit nur drei Punkten Tabellenletzter, sie spielte gegen Lübeck zusammenhanglos und ohne Mumm in den Zweikämpfen. Der Gegner war deutlicher überlegen, als es in dem knappen Ergebnis letztlich zum Ausdruck kam, und hätte bei der Fülle eigener Torchancen dem Resultat auch deklassierende Ausmaße geben können. Union hatte durch Florian Bruns zwar fünf Minuten vor Schluss Lübecks Führung ausgeglichen, aber es war ein Stück Fußball-Gerechtigkeit, dass nur zwei Minuten danach Ferydoon Zandi das Siegestor für die Gäste erzielte. „Wir hätten schon vor unserem Tor zum 1:1 höher hinten liegen müssen“, gab Unions Kapitän Steffen Baumgart nach dem Abpfiff ehrlich zu. „Jetzt haben wir eine richtige Krise“, ergänzte Mittelfeldspieler Jiri Balcarek.

Eine Krise zu bewältigen ist nicht nur Sache des Trainers, dafür gibt es in einem Verein auch übergeordnetes Personal. Bei Union zum Beispiel Heiner Bertram. Der Präsident rang nach der Niederlage gegen Lübeck sichtlich um Fassung. Man müsse jetzt „cool bleiben, miteinander reden und sehen, was dabei rauskommt“, sagte Bertram. Schon am Samstagnachmittag setzten sich Bertram und Geschäftsführer Bernd Hofmann mit Votava zusammen und beratschlagten gemeinsam die Großwetterlage rund um die Alte Försterei. Es hieß aus Vereinskreisen, alles sei „schonungslos analysiert worden“, Votava seinerseits habe erklärt, er sehe sich in der Lage, die Mannschaft „in Kürze vom Tabellenende wegzuführen“. Nach dem rund einstündigen Gespräch stand fest: Der Trainer bleibt. Vorerst jedenfalls. Im nächsten Spiel am Freitag in Unterhaching trägt Votava weiter die Verantwortung als Cheftrainer. Auf längerfristige Treuebekundungen lässt sich Bertram nicht ein. „Das sind doch diese ultra-ultimativen Fragen, und solche Ultimaten bringen gar nichts“, sagte er.

Untätig bleibt Bertram auch ohne Trainerrausschmiss nicht. „Es ist einiges aufzuklären, da müssen jetzt Fachleute an den Tisch. Wir haben genug Leute in den eigenen Reihen, die von der Materie etwas verstehen“, sagt der Präsident. Er plant, Unions gesamten Trainerstab zusammenzutrommeln, um sich Rat zu holen, wie es wieder aufwärts gehen kann. „Der Trainer braucht jetzt unsere Hilfe“, sagte Bertram. Zumindest das darf als schlechtes Zeichen für Votava gewertet werden. Wenn ein Trainer im Profifußball auf die Hilfe von Amateur- oder Jugendtrainern angewiesen sein soll, dann untergräbt das seine Autorität bei den Spielern – was die Lage wohl eher verschlimmert.

Mirko Votava hat in seiner Zeit als Fußballprofi eine Menge durchgemacht. Wer in 546 Bundesligaspielen die Knochen hingehalten hat, den kann im Fußball so schnell nichts mehr erschüttern. Votava aber sagt: „Die jetzige Situation – die ist eine der schwierigsten in meinem sportlichen Leben.“

Zum Glück machten einige Union-Fans ihre Mitte der zweiten Hälfte singend vorgetragene Ankündigung nicht wahr. „Ohne Punkte geh’n wir nicht nach Haus.“ Sie hätten mindestens bis zum nächsten Heimspiel gegen Regensburg im Stadion ausharren müssen. Das findet erst am 5. Oktober statt, dem Tag, an dem Erntedankfest ist – mit oder ohne Mirko Votava.

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