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Im Sportfunktionärswesen ist Aleksander Ceferin ein Quereinsteiger.

© REUTERS

Neuer Uefa-Präsident: Der Unbekannte mit dem schwarzen Gürtel

Wer ist der Slowene, der nun an der Spitze des europäischen Fußballs steht, und was kann Europa von ihm erwarten?

Von Johannes Nedo

Er mag es offensiv. In einem 3-4-3-System hat Aleksander Ceferin die Kernpunkte seines Wahlprogramms aufgelistet und dann in einer schicken taktischen Fußballfeld-Grafik darstellen lassen. Im Tor steht bei ihm der Dialog, in der Dreier-Abwehr unter anderem die Solidarität und Inklusion, im Mittelfeld etwa die Effizienz und Transparenz und im Sturm setzt er auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Für all diese Punkte wolle sich der Slowene einsetzen, versichert er, sollte er an diesem Mittwoch in Athen zum neuen Uefa-Präsidenten gewählt werden.

Im Duell mit dem Niederländer Michael van Praag um den Chefposten im europäischen Fußball-Verband gilt Ceferin als großer Favorit. Mehr als die Hälfte der 55 Mitgliedsverbände hat sich bereits für ihn ausgesprochen, darunter so einflussreiche Nationen wie Russland, Deutschland, Frankreich und Italien.

Doch wer ist dieser Mann, der auf der internationalen Fußball-Bühne noch nichts vorzuweisen hat? Ist er so kreativ und modern, wie er sich mit seiner Taktik-Agenda zu geben versucht? Oder ist bei ihm nur die Aufmachung neu und dahinter stecken die alten Machtgebaren?

„Er ist sehr offen, will immer alle involvieren und er kommt von außerhalb des Fußball-Zirkels“, sagt der rumänische Verbandspräsident Razvan Burleanu, der Ceferin schon länger kennt. Diese Eigenschaften unterscheiden ihn tatsächlich vom letzten Uefa-Chef Michel Platini, der wegen Verstößen gegen die Fifa-Ethikregeln für vier Jahre gesperrt ist. Auch optisch hebt sich Ceferin von vielen Funktionären ab. Mit seinen 48 Jahren gilt er als jung. Zudem wirkt er schon durch sein Äußeres überaus agil. Ceferin ist schlank, drahtig und könnte mit seinem Dreitagebart und den kurzen Haaren auch als slowenischer Brad Pitt durchgehen. Er spricht fünf Sprachen fließend, unter anderem Italienisch und Englisch. Er treibt viel Sport, spielt neben Fußball auch Futsal und Basketball. Doch seine große Passion ist Karate. Ceferin trägt den schwarzen Gürtel und absolviert nahezu jeden Morgen Karate-Übungen.

Infantino soll an einem Russland-freundlichen Uefa-Chef interessiert sein

Im Sportfunktionärswesen ist der verheiratete Vater dreier Töchter dennoch ein Quereinsteiger. Einen Namen machte er sich in Slowenien zunächst als Anwalt. Er entstammt einer einflussreichen Juristenfamilie. Sein Großvater war Jura-Professor, sein Vater gilt als einer der angesehensten Anwälte des Landes. Ceferin wurde bekannt als Verteidiger in großen Kriminalfällen und leitet mittlerweile die von seinem Vater gegründete Kanzlei. Weil er auch Athleten und Sportvereine vertrat, gelangte er in die Führungsgremien eines Futsal-Klubs und des Fußball-Erstligisten Olimpija Ljubljana. 2011 wurde Ceferin zum Präsidenten des slowenischen Verbands gewählt.

Dort kann er eine sehr erfolgreiche Bilanz vorweisen. Er beendete einen scheinbar unlösbaren Prämienstreit mit den Nationalspielern. Er holte die slowenische Liga wieder zurück unter das Dach des Verbands und akquirierte lukrative Sponsoren-Deals und Fernsehverträge, wonach auch die Zuschauerzahlen bei den Liga-Spielen anstiegen. Überdies konnte er in diesem Jahr ein neues Verbands- und Trainingszentrum eröffnen. In seiner Heimat ist Ceferin unumstritten, lediglich der sportliche Erfolg fehlt. Zuletzt qualifizierte sich Sloweniens Nationalmannschaft für die WM 2010, die letzten drei großen Turniere verpasste sie.

Trotz seiner guten Arbeit im slowenischen Verband ist es überraschend, dass Ceferin im Juni seine Kandidatur für das Amt des Uefa-Präsidenten bekanntgab. Er selbst wurde von dieser Entwicklung auch überrascht, erzählt er jedenfalls. Die skandinavischen Länder hätten ihn zuerst ermuntert, anzutreten, sagt Ceferin. Er hätte nicht im Traum daran gedacht. Als kurz darauf auch Russland und zahlreiche osteuropäische Verbände ihn bestärkten, habe er diese Gelegenheit einfach nutzen müssen.

Das ist schön, es gibt dazu aber Unregelmäßigkeiten. Sogar nachdem sich die skandinavischen Verbandspräsidenten für Ceferin ausgesprochen hatten, räumten einige ein, wenig über ihn zu wissen. Auch Russlands Sportminister und Fußballverbandschef Witali Mutko blieb bei seiner Begründung, warum er Ceferin wolle, vage. Jung und energisch sei er, sagte Mutko. Eine mögliche Erklärung lieferte der Russe eher mit einem Kommentar zu Ceferins Konkurrenten van Praag: „Er ist einer von jenen, die einen Keil in den Weltfußball getrieben haben.“

Ceferin will Amtszeitbeschränkungen für den Uefa-Präsidenten

Offenbar ging es Russland vielmehr darum, den 68-Jährigen zu verhindern, weil er auch die Probleme des Landes im Hinblick auf die WM 2018 anspricht. Dies legt ein Bericht des norwegischen Fußball-Magazins Josimar nahe. Demnach soll auch der Fifa-Präsident Gianni Infantino an einem Russland-freundlichen Uefa-Chef interessiert sein. So soll Infantinos norwegischer Berater Kjetil Siem hinter den Kulissen für Ceferin geworben haben.

Ceferin weist diese Verbindungen vehement zurück. „Es ist ziemlich schwer für einige Journalisten zu verstehen, dass ein Typ aus dem kleinen Slowenien ein unabhängiger Kandidat sein kann. Aber vertrauen Sie mir, ich bin unabhängig“, polterte er zuletzt bei einer Pressekonferenz in Kopenhagen. Nur um danach bei kritischen Fragen zur WM in Russland, etwa den Hooligans und der Homophobie, zu sagen: „Da wird es keine Probleme geben.“ Das wollen Mutko und Infantino hören.

Im Gegenzug scheint Ceferin bei Infantino Gehör zu finden. So ist der neue Vorsitzende der Audit- und Compliance-Kommission der Fifa, also der oberste interne Kontrolleur des Weltverbands, der slowenische Jurist Tomaz Vesel, ein ehemaliger Studienkollege Ceferins.

All das hält den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht davon ab, ebenfalls Ceferin zu unterstützen. „Wir erhoffen uns von seiner Wahl eine Lösung, die Kontinuität an der Spitze verspricht“, sagt DFB-Präsident Reinhard Grindel. „Zudem glauben wir, dass neue Impulse von außen dem Exekutivkomitee gut tun.“

Reformvorschläge stehen in der Tat auch in Ceferins durchgestyltem Wahlprogramm. Er will Amtszeitbeschränkungen für den Uefa-Präsidenten und die Topfunktionäre einführen, ebenso ein Compliance-Komitee. Und vielleicht kann er sich ja von seinen mächtigen Wahlhelfern emanzipieren. Dazu muss Ceferin jedoch wirklich offensiv agieren.

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