zum Hauptinhalt

Sport: Der unsichtbare Sechste

Von Frank Bachner Monaco. Natürlich sah Heinz-Harald Frentzen diesen Streckenposten, der da mit einer blauen Flagge wedelte.

Von Frank Bachner

Monaco. Natürlich sah Heinz-Harald Frentzen diesen Streckenposten, der da mit einer blauen Flagge wedelte. „Lass deinen Hintermann überholen“, heißt das in der Sprache der Formel 1. Aber Frentzen dachte gar nicht daran. „Die Flagge habe ich einfach ignoriert“, sagt er. Hätte ja gerade noch gefehlt, dass er den Ferrari-Piloten Rubens Barrichello überholen lässt. Frentzen genügte es, dass seine Vorderbremsen fast nicht mehr funktionierten und er deshalb nicht mehr richtig angreifen konnte auf dem Grand-Prix-Kurs von Monaco.

Vor allem aber war er auf dem Weg zu seinem größten Erfolg im Arrows. Er war Sechster, und es waren nur noch ein paar Kilometer ins Ziel. Außerdem leuchtete die blaue Warnleuchte in seinem Cockpit nicht auf. Die signalisiert, von der Rennleitung gesteuert, das Gleiche wie die blaue Flagge. Also musste sich der Streckenposten irren, dachte Frentzen und fuhr unverändert vor Barrichello. Der Streckenposten hatte sich wirklich geirrt, Frentzen fuhr regelgerecht auf Platz sechs.

Platz sechs bedeutet einen WM-Punkt. Sicher, Frentzen profitierte von vielen Ausfällen, er profitierte vom Stadtkurs, der leistungsstarke Autos benachteiligt, weil die ihre PS-Macht nicht voll zeigen können. Aber es geht um die kleinen Zeichen. Schließlich gilt sein Arrows gemeinhin als völlig chancenlos. Aber mit diesem Auto fuhr Frentzen die beste Warm-up-Zeit am Sonntag morgen. „Wir haben nach dem Qualifying ein bisschen improvisiert“, sagt Frentzen, „damit wir einen besseren Abtrieb erhalten. Leider ist uns das nicht vor dem Qualifying eingefallen.“ Dann wäre er dort eine halbe Sekunde schneller gewesen. So blieb im Qualifying aber nur Platz zwölf. Und dann sagt er noch: „Die Jungs hier bei Arrows tun einen sehr guten Job."

Den machte Frentzen in Monaco auch, und vielleicht ist dies überraschendste Nachricht des Rennens – abgesehen vom Sieg von David Coulthard vor Michael Schumacher. Frentzen ist Profi, einerseits. Er ist jetzt 35, hat 136 Grand-Prix-Rennen bestritten, war 1997 sogar mal WM-Zweiter. Andererseits ist er vor knapp einem Jahr bei Jordan fristlos rausgeflogen, verlor dann seinen Platz im Pleite-Team Prost und steht jetzt bei Arrows vor einer ungewissen Zukunft. Frentzen hat nicht wirklich festen Boden unter den Füßen. Arrows, sein Team, hat offenbar große Schulden. Der Vertrag mit dem Hauptsponsor läuft nach dieser Saison aus, und wenn er nicht verlängert wird, steht Teamchef Tom Walkinshaw vor dem Aus.

Vielleicht dauert es nicht mehr so lange. Zwei Rennställe werden wohl noch vor Saisonende Pleite gehen, hatte Max Mosley, der Chef des Weltverbands Fia, in Monaco angedeutet. Zwei n machten sofort die Runde: Minardi und Arrows. Frentzen sagte darauf bedächtig: „So etwas verdränge ich. Ich habe davon nichts gehört.“ Plötzlich aber hob er kurz die Stimme. „Wisst ihr denn mehr?“, fragte er die Journalisten.

Die wussten nicht mehr. Aber die Frage zeigte, wie sehr es in Frentzen arbeitet. Wie schwer fällt es, sich auf seinen Job zu konzentrieren, wenn eine Pleite im Raum steht? „Überhaupt nicht schwer, ich muss meinen Job erledigen“, antwortete Frentzen. Platz sechs in Monaco, Rang vier wäre drin gewesen, wenn an der Box nicht die Tankanlage kaputt gewesen wäre. Ach, sagt Heinz-Harald Frentzen leise, „ich habe doch meine Selbstsicherheit nie verloren". Er trägt eine schwarze Sonnenbrille. Man kann seine Augen nicht sehen bei diesem Satz.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false