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Sport: Der Vermittler im Tor

Bernd Trautmann hielt Bälle für die deutsch-englische Versöhnung

Berlin - Das Wunder von Bern hat er nur im Radio erlebt, dabei hätte er doch eigentlich dabei sein sollen, als Weltklassetorwart: Bernd Trautmann, legendärer Spieler von Manchester City, für viele damals die Nummer eins in Deutschland. Und dennoch durfte der England-Legionär nie in der deutschen Nationalmannschaft spielen, weil Sepp Herberger nur Fußballer von deutschen Klubs aufstellte. Trautmann hatte Kontakt zu Herberger, aber die englische Liga fand im deutschen Fernsehen nicht statt, und Spielerbeobachter gab es nicht. So blieb Trautmann in Deutschland unbeachtet, in England aber wurde er zum Idol und so populär, wie es wahrscheinlich Jens Lehmann nie schaffen wird.

In Großbritannien war Trautmann ein Held, der bekannteste Deutsche und ein Botschafter seines Landes. Für seine Verdienste um die britisch-deutsche Versöhnung hat er das Bundesverdienstkreuz erhalten, und am Montag wurde der heute 81-Jährige in der britischen Botschaft in Berlin zum „Officer of the British Empire“ ernannt.

Als junger Kriegsgefangener war er 1946 nach England gekommen und wurde als Talent entdeckt. Er landete bei Manchester City und ersetzte den englischen Nationaltorwart Frank Swift. Dass ein ehemaliger deutscher Soldat für einen englischen Klub spielt, war ein Skandal in England. Die Dauerkartenbesitzer drohten mit Boykott, und 40 000 Menschen gingen wegen ihm auf die Straße. Aber Trautmann überzeugte schließlich die Fans durch seine Leistung. Er war ein Torwart, der keine Handschuhe trug, einer dieser beinharten Spieler, die sich trotz einer Verletzung nicht auswechseln lassen. Und dann kam der Moment, als Trautmann zur Legende wurde: Das FA-Cup-Finale 1956 im Wembley Stadion, Trautmann bricht sich in der 72. Minute bei einer Parade einen Halswirbel, spielt weiter und rettet für Manchester City das 3:1. Der „kleine Nazi“ aus Deutschland, wie er anfangs beschimpft wurde, wird in der selben Saison als erster Ausländer Spieler des Jahres in England. Bis zu seinem letzten Spiel 1964 waren es 508 Ligaspiele in England, 15 Jahre Premier League. „Er war der beste Torwart seiner Zeit“, sagte einst Bobby Charlton. „Ich kann das nicht mehr hören“, sagt Trautmann heute. „Ich habe mehr erreicht, als diese 15 Minuten mit einem gebrochenen Wirbel zu spielen.“ So hat er in England nach dem Weltkrieg als Symbolfigur vermitteln können, dass „nicht alle Deutschen schlecht sind“.

Später war er Nationaltrainer von Burma, Liberia und Pakistan, heute sammelt Trautmann Geld für seine neue Stiftung, die „Trautmann Foundation“, in der er sich dafür einsetzt, dass Jugendliche verschiedener Länder zusammen kommen – zunächst auf dem Sportplatz, „und dann als Freunde“. Am Dienstag wird Trautmann zusammen mit Jens Lehmann in Berlin die Queen treffen. Über den deutschen Torwartstreit zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann kann er nur schmunzeln: „Die beiden benehmen sich wie die Kinder.“ Lehmann sei so etabliert in England, dass er das nicht nötig habe. Denn auch ohne Nationalmannschaft kann man zum großen Spieler werden, findet Trautmann.

In Manchester wird Trautmann noch heute auf der Straße erkannt, oft fragen ihn kleine Jungen nach einem Autogramm. Für wen das denn sei? Für den Vater, der sich da hinter der Ecke versteckt, sagen sie dann oft.

Stefan Schweiger

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