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Sport: Der Vier-Wochen-Profi

Seitdem Chuck Evans bei Albas Basketballern aushilft, gewinnt das Team fast nur noch – auch heute gegen Villeurbanne?

Berlin. Eine Kiste mit zehn Videokassetten brachte Alba Berlins Kotrainer Burkhardt Prigge mit, als sich der Deutsche Basketballmeister in Athen auf das Europaligaspiel bei Olympiakos Piräus einstimmte. Chuck Evans dachte, „dass er das richtige Band nicht auf Anhieb gefunden hat und deshalb die ganze Kiste mitgenommen hat. Wir sind ja auch sehr früh morgens in Berlin abgeflogen.“ Doch Evans, an jenem Mittwoch vor Weihnachten gerade einen Tag bei Alba unter Vertrag, kannte seinen neuen Kotrainer schlecht. Der akribische Prigge und unorganisiert – das schließt sich aus. Evans kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als der Assistenztrainer ein Video nach dem anderen einlegte. Nicht um das richtige zu finden – alle zehn schaute sich die Mannschaft an. „Er hatte über jeden Spieler von Olympiakos ein eigenes Band zusammengeschnitten und uns dessen Stärken gezeigt“, sagt der Spielmacher, „das war sehr beeindruckend.“

Gut möglich, dass Chuck Evans diese Anekdote demnächst in einer anderen Stadt in einer anderen Kabine erzählen wird. Seine Tage in Berlin sind gezählt. Der 32-jährige Deutsch-Amerikaner ist Albas Vier-Wochen-Profi. Weil die Nationalspieler Marko Pesic und Mithat Demirel verletzt einige Wochen ausfallen, verpflichteten die Berliner kurzerhand Evans. Sein Vertrag läuft am 16. Januar aus, zwei Spiele bestreitet er vorher noch – heute in der Europaliga gegen Asvel Villeurbanne (19.30 Uhr, Max-Schmeling- Halle) und kommende Woche in Wroclaw. Alba hat die Option, den Vertrag um einen weiteren Monat zu verlängern, „wir haben noch keine Entscheidung getroffen“, sagt Trainer Emir Mutapcic. Dass Evans überhaupt so kurzfristig zur Verfügung stand, lag daran, dass sein bisheriger Klub Brandt Hagen Insolvenz angemeldet hat. Evans’ Agent bot ihn in Berlin an, Alba stimmte einem Wechsel zu.

Dann ging alles ganz schnell: Am Montag Kündigung in Hagen, Dienstag Zugfahrt nach Berlin mit Kleidung für vier Wochen und einigen CDs mit Gospelmusik und Jazz im Gepäck. Abends erstes Training mit der neuen Mannschaft, Mittwoch Flug nach Athen, Donnerstag gleich die ersten 30 Minuten im Dress von Alba. Der neue Mann führte sich mit sieben Punkten, drei Assists – Pässe, die zum Korberfolg führen –, zwei Rebounds und zwei Ballverlusten ein. Die Berliner verloren erst in der Verlängerung, „es war das härteste Spiel für mich in den letzten drei Jahren, seitdem ich mit Leverkusen international in der Suproleague gespielt habe. Es war körperlich sehr anstrengend. Danach musste ich mich massieren lassen und mich hinlegen“, erzählt Evans. Doch er erholte sich schnell, die folgenden vier Spiele, alle in der Bundesliga, gewann Alba. „Ich war überrascht, wie schnell er sich integriert hat“, sagt Mutapcic, „mit ihm haben wir besser gespielt, er hat uns Qualität gegeben. Er spielt eine bessere Verteidigung als in Hagen und ist sehr aggressiv.“

Mit seiner Frau und dem fünfjährigen Sohn wohnt Evans in einem möblierten Apartment fünf Minuten Fußweg von der Max-Schmeling-Halle entfernt. Vom Training dort hat ihm John Best, den er aus gemeinsamen Leverkusener Zeiten kennt, vor seinem Wechsel zu Alba am Telefon berichtet. „Er hat gesagt, es ist jeden Tag harte Arbeit, und er hat Recht“, sagt Evans und lacht. Das gelte sogar für das Krafttraining, wo es bei anderen Klubs lockerer zugehe.

Er selbst ist derjenige, der beim Training am meisten rennt. Mal ist er rechts, mal links, wuselt sich zwischen den meist zwei Köpfen größeren Spielern durch. 1,80 Meter ist er groß, für einen Basketballer winzig, selbst sein Spielmacherkollege DeJuan Collins (1,87 Meter) wirkt im Vergleich zu ihm groß und stark. Doch durch seine Quirligkeit ist er schwer zu stoppen, immer wieder fordert er den Ball, bekommt ihn, spielt wieder ab. Die Assists sind Evans große Stärke, in Leverkusener Zeiten gab er die drittmeisten Korbvorlagen in der gesamten Suproleague. „Wirf selber!“, ruft Mutapcic irgendwann. Die eigenen Punkte kamen bei Alba bisher manchmal zu kurz, in fünf Spielen traf Evans zweimal gar nicht, zweimal machte er sieben Punkte – und einmal zwölf. Zuletzt in Braunschweig war das, als er als einziger Spieler auf eine Wurfquote von hundert Prozent kam. Für Evans keine große Tat, „manchmal hat man als Spieler einen guten Tag“.

Helen Ruwald

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