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Sport: Des Kaisers neue Kleiderständer

Warum der von Jürgen Klinsmann geforderte Strukturwandel nur eine Scheinlösung ist

Ich hatte das Gefühl, dass bedingt durch die WM im eigenen Land das nur jemand machen kann, der unbefleckt ist, der einen gewissen Kredit hat, wie ich ihn vor vier Jahren hatte.“ Mit diesem Satz begründete Rudi Völler vor vier Wochen seinen Rücktritt. Prophetische Worte. In Momenten größter Ratlosigkeit mag die Trainerfindungskommission des DFB diesen Satz immer wieder vor sich hin gemurmelt haben. Irgendwann fiel es ihr dann wie Schuppen von den Augen: Na klar, Klinsmann! Höchst sympathisch und unbedingt kreditwürdig, vor allem aber ist Völlers Sturmpartner aus seligen Zeiten so unbefleckt, wie ein Trainer nur sein kann. Klinsmann hat den Job noch nie gemacht. Und war die konsequente Ausdifferenzierung, die Klinsmann in einem Interview als Leitvision eines neuen Trainerstabes anpries, nicht auch innerhalb des DFB bereits auf den Weg?

Von einer Aufteilung der Kompetenz konnte vor vier Wochen keine Rede sein. Die Groteske begann als Suche eines voll souveränen Präsidenten nach einer Spitzenkraft deutschen Bluts. Mit Hitzfelds mysteriöser Verweigerung war es um Mayer-Vorfelders Machtfülle geschehen. Wenige Tage später hatte der DFB zwei Präsidenten, die wiederum eine vielköpfige Kommission mit der Suche nach einer Deutsch sprechenden Fachkraft beauftragten. Just in diesem Moment forderte Klinsmann, aufgrund seiner zweijährigen, massiven Erfahrung im amerikanischen Sport-Business, öffentlich dazu auf, den Strukturwandel noch konsequenter zu denken: Wir brauchen nicht einen Trainer, wir brauchen viele, lautete seine Message. Einen für die Schnellkraft, einen für Psyche, einen für die Ausdauer, dazu einen Nationalmannschaftsmanager sowie natürlich ein Mastermind, das den gesamten Prozess überschaut und delegiert – zum Beispiel mich. Genial, rief die gespaltene Doppelspitze samt vielstimmiger TFK: Wenn wir keinen einzigen Trainer bekommen, engagieren wir eben mehrere auf einmal. Klinsmanns Forderung nach einem Strukturwandel haftet nichts Revolutionäres an. Sie wird in den 10 000 Dollar teuren Crash-Kursen, die Manager Klinsmann in Amerika besuchte, als BWL-Grundlagenwissen eingebimst. Auch die Übertragung dieses Gedankens auf den sportlichen Bereich hat in Amerika Tradition. Das liegt nicht am Aufbau der klassischen Sportarten dort, American Football und Baseball. Sie zerfallen in einzelne Sequenzen, in denen die Athleten jeweils sehr spezifische Bewegungen ausführen müssen. Für die Sequenzen gibt es ebenso spezielle Trainer wie für die jeweiligen Bewegungsmuster. Ob dieses Modell einer Vielheit von Trainern samt koordinierendem Head-Coach allerdings dem Fußball entspricht, steht dahin. Mit Klinsmann, dem Head-Coach ohne Erfahrung (und Oliver Bierhoff als möglichem Team-Manager ohne Erfahrung), setzt der DFB auf sympathische, weltläufige Geschäftsleute, perfekte Zwitter aus Betriebswirtschaftslehre und Fußball, deren Professionalitätsnachweis sich bislang allerdings darauf beschränkt, mehrsprachig Interviews geben zu können. Das ist nicht wenig und vielleicht alles, was heute von der Spitze eines Expertenstabes verlangt wird. Holger Osieck, der gewünschte Kotrainer und eigentliche Trainingsbeauftragte schließlich ist ein Mann, der in seiner Existenz als Vereinstrainer auf eine klassische DFB-Karriere zurückblickt: er scheiterte. Seine größten Erfolge feierte Osieck als Mann hinter Franz Beckenbauer. Mit dem Verweis auf Kaiser Franz bietet sich eine dunkle Interpretation dessen an, was der DFB als „innovative Lösung“ anpries. Während sich im DFB bekannte Strukturen auflösen, thront der Kaiser weiter über den Dingen und weiß seinen treuen Assistenten jetzt nah am Geschehen.

Klinsmann und Bierhoff werden für blendende Medienauftritte sorgen. Vielleicht ist das Funktionsteam wirklich der Beginn eines neuen DFB. Oder aber nur eine Scheinlösung im Sinne der alten, kaiserlichen Weisheit: teile und herrsche!

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