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Sport: „Deutschland gegen Holland 2:1“

Bundesinnenminister Otto Schily über die EM in Portugal und Sicherheitsfragen für Olympia und die WM 2006 im eigenen Land

Herr Schily, wie viele Spiele der Nationalmannschaft haben Sie zuletzt gesehen?

Ein Spiel ist mir noch besonders in Erinnerung: das 1:5 gegen Rumänien vor ein paar Wochen. Das war schrecklich. Da war kein Profi richtig bei der Sache.

Und jetzt haben die Deutschen 0:2 gegen Ungarn verloren. Haben Sie noch Hoffnung für die Europameisterschaft?

Entscheidend wird das erste Spiel gegen Holland sein. Ich tippe auf ein 2:1 für uns. Michael Ballack schießt ein Tor, Lukas Podolski auch – hoffentlich.

Kann Fußball die Depressionen eines Landes heilen?

Aus unseren Depressionen müssen wir schon alleine herauskommen. Siege im Fußball können das Selbstwertgefühl eines Landes stärken. Aber wichtiger ist, dass wir Deutschen endlich lernen, mit der Wirklichkeit umzugehen und nicht alles schwarz zu malen.

Die Fußball-EM in Portugal dürfte Sie nicht nur als Sportminister interessieren.

Auch als Innenminister, richtig. Die Sicherheit von Sportveranstaltungen wird immer wichtiger. Die Portugiesen nehmen das sehr ernst. Ich bin froh, dass in Großbritannien bereits scharfe Maßnahmen gegen Hooligans ergriffen wurden. Auch wir sorgen dafür, dass gewalttätige Fans aus Deutschland möglichst nicht nach Portugal anreisen.

Wie wollen Sie das machen?

Bereits im Vorfeld setzen die Landespolizeien präventive Maßnahmen wie Gefährderansprachen oder Ausreisebeschränkungen ein. Das hat sich bei der Euro 2000 sehr bewährt. Wir haben außerdem eine eigene Polizeidelegation in Portugal, die die Szene gut kennt und die den portugiesischen Sicherheitsbehörden hilft, potenzielle Täter von Stadien und Innenstädten fernzuhalten.

Kann man so gigantische Sportveranstaltungen wie eine Fußball-EM oder Olympische Spiele hundertprozentig sichern?

Hundertprozentige Sicherheit kann es nie geben. Kurz nach den Anschlägen am 11. September 2001 haben die Amerikaner die Olympischen Spiele in Salt Lake City organisiert. Dabei wurde eine hohe Sicherheit gewährleistet, ohne dass die Spiele und deren Stimmung beeinträchtigt wurden. Daraus können wir lernen.

Was können Sie lernen?

Die Art und Weise, wie die Kontrollen in Amerika durchgeführt wurden, war vorbildlich. Alle Ordner waren freundlich, sie haben trotz aller Akribie gelächelt oder eine nette Bemerkung gemacht. Strenge Sicherheitskontrollen durch freundliche Sicherheitskontrolleure – dafür haben die Menschen dann auch Verständnis. Einen schroffen Befehlston müssen wir vermeiden.

Was ist darüber hinaus wichtig, wenn man eine Sportveranstaltung sichern will?

Die Zugangskontrollen müssen absolut wasserdicht sein, man muss wissen, wo welche Fans ins Stadion kommen und ob sie da hingehören. Das muss überwacht werden. Außerdem ist es notwendig, die Sportlerquartiere gut abzusichern.

Wird das Schengener Abkommen für die Zeit der Europameisterschaft ausgesetzt?

Die Portugiesen tun das, und das finde ich richtig. Ob wir die Freizügigkeit an unseren Landesgrenzen zur WM 2006 aufheben, entscheiden wir auf Grund der Sicherheitslage. Möglich ist das.

Bei den Olympischen Spielen in Athen hilft sogar die Nato mit Soldaten …

Die Griechen haben international um Unterstützung gebeten. Wir helfen, so gut wir können. Zusätzlich wird Deutschland die Sicherheitsmaßnahmen der Griechen unterstützen, indem wir eigene Schutzmaßnahmen ergreifen. Ich will das nicht weiter ausführen, denn die effektivsten Sicherheitsmaßnahmen sind die, über die nicht öffentlich geredet wird. Sie können aber davon ausgehen, dass Deutschland für den Schutz von deutschen Einrichtungen und der deutschen Mannschaft Sorge tragen wird.

Brauchen Sie auch Soldaten für die Fußball-WM 2006 in Deutschland?

In unseren Sicherheitsplanungen spielt das keine Rolle. Bund und Länder sind derzeit dabei, ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept zu erstellen. Natürlich ist das keine rein polizeiliche Aufgabe. Auch die privaten Sicherheitsdienste, die Stadien kontrollieren, beziehen wir ein, ebenso Feuerwehren und Hilfskräfte. Die Bundeswehr wird keine Polizeiaufgaben übernehmen.

Aber wenn man sich ausmalt, dass Terroristen mit gekaperten Flugzeugen auf ein voll besetztes Stadion zurasen?

Man sollte die Bedrohung nicht herbeireden. Natürlich spielen wir verschiedene Szenarien durch. Wir haben zuletzt den Fall simuliert, dass eine unbekannte Maschine in den deutschen Luftraum eindringt. Ziel war es, die Maschine zur Landung zu bringen. Das hat geklappt – ohne das Flugzeug abzuschießen.

Wer gibt im Zweifel den Befehl zum Abschuss dieses Flugzeugs: Innenminister Schily oder Verteidigungsminister Struck?

Dieses Horrorszenario ist eines der unwahrscheinlichsten Fälle überhaupt. Man kann nicht jede Maschine abschießen, die sich irgendwie verflogen hat. Aber sollte ein Abschuss als letztes Mittel wirklich unvermeidlich sein, würde Herr Struck den Befehl erteilen. Das haben wir jüngst in unserem Luftsicherheitsgesetz klargestellt. Nur die Bundeswehr verfügt über Jagdflugzeuge und nicht die Polizei. Aber noch einmal: Der Fall ist nahezu ausgeschlossen, denn meist ist es über Großstädten viel zu gefährlich, Flugzeuge abzuschießen. Wir werden immer versuchen, die Situation anders zu lösen. Abgesehen davon können wir nicht vor jedem Hochhaus und jedem Stadion eine Flak aufbauen.

Wie wollen Sie die große WM-Eröffnungsparty in Berlin schützen? Sie können nicht eine Million Menschen vor dem Brandenburger Tor kontrollieren.

Der Auftakt soll nach Möglichkeit im Olympiastadion stattfinden. Es gibt allerdings das Problem, dass der Rasen zu stark in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Also muss es einen sicheren Rasenschutz geben. Wenn wir das nicht schaffen, machen wir die Veranstaltung vor dem Reichstag. Das Gelände müssen wir in diesem Fall weiträumig absperren.

Was ist Ihnen wichtig an der Feier – eine Werbeshow für Gerhard Schröder kurz vor der Bundestagswahl?

Ich erwarte ein finale furioso unseres Kulturprogramms. Das hat mit Wahlkampf nichts zu tun. Wer uns vorwirft, dass wir die WM zur Showbühne für die Regierung machen, der müsste ja darauf hoffen, dass die deutsche Mannschaft in der Vorrunde scheitert. So kleinkariert wird ja wohl keiner sein.

Der Bund bezahlt das Kulturprogramm, finanziert die Stadien in Berlin und Leipzig und baut die Verkehrswege. Wird das eine WM der Steuerzahler?

Nein. Das wird eine WM, an der Hans Eichel seine Freude haben wird. Das ist ein nationales Konjunkturprogramm.

Muss man deshalb hinnehmen, dass die Stadien wegen diverser Fifa-Wünsche für Sponsoren und VIPs teurer werden?

Falls es bei einigen Stadien so ist, muss man in der Tat damit leben. Klar ist: Die Stadien müssen allen Sicherheitsansprüchen genügen und natürlich rechtzeitig fertig werden. Aber der Aufwand lohnt sich. Schauen Sie sich das neue Olympiastadion in Berlin an: Das ist ein herrliches Stück Architektur und ein lange bleibender Wert.

Wann findet im Olympiastadion wieder Olympia statt?

Ich fürchte, das dauert noch ein wenig.

Sollte sich Deutschland nach Leipzigs Scheitern erneut um Olympia bewerben?

Gerne. Aber derzeit sieht es nicht so gut aus. Wenn Paris, London oder Madrid die Spiele 2012 tatsächlich bekommen sollten, ist Europa erst einmal lange außen vor. Wir müssen gemeinsam mit dem Sport genau analysieren, warum es mit einigen Bewerbungen in der jüngsten Vergangenheit nicht geklappt hat. Wichtig dabei ist die Frage, ob unsere internationale Lobbyarbeit gut genug ist. Grundsätzlich halte ich Deutschland für einen attraktiven Standort für internationale Sportveranstaltungen, was die Vielzahl der EM und WM, die wir 2005 und 2006 organisieren, auch belegt.

Wie konnte es zur Leipziger Niederlage kommen?

Ich will da nicht nachkarten. Fest steht: Die Regionen Leipzig und Rostock haben bereits jetzt nachhaltig von der Bewerbung profitiert. Vielleicht haben wir die Kriterien Hotels und Infrastruktur unterschätzt, vielleicht war der deutsche Sport etwas zu lange mit sich selbst beschäftigt. Aber wir sollten jetzt kein Scherbengericht veranstalten, denn wir waren da alle dran beteiligt: Sport, Politik und Wirtschaft. Die gesamte Verantwortung für das Scheitern beim Nationalen Olympischen Komitee und dem Präsidenten Klaus Steinbach abzuladen, halte ich für falsch. Die Bewerbung und das Prozedere werden aufgearbeitet, aber lassen Sie uns lieber nach vorne schauen.

Haben Sie schon eine Karte für das Endspiel 2006 in Berlin?

Ich glaube, ich brauche keine.

Das Gespräch führte Robert Ide.

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