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Sport: Deutschland rauscht ins Viertelfinale

Beim 2:0 gegen Schweden spielt Jürgen Klinsmanns Team vor allem in der ersten Halbzeit überragend

Lukas Podolski mied seine Mitspieler wie eine Fledermaus im Nachtflug die Mauern. Dabei wollten ihn seine Mitspieler doch nur fangen und herzen. Vier Minuten war das Fußballspiel jung, da hatte der 21 Jahre alte Stürmer die deutsche Nationalmannschaft gegen Schweden in Führung geschossen. Der Noch-Kölner hatte nach einer Verwirrung und einem Abpraller im schwedischen Strafraum die beste Witterung und die höchste Reaktionsschnelligkeit. Noch ehe Torwart Isaksson und Kapitän Mellberg ihn blocken konnten, hatte Podolski den Ball ins Tor geschossen. Anschließend raste er in Richtung deutscher Ersatzbank, wo er sich von den Auswechselspielern feiern ließ. Wenn es denn einen einer Weltmeisterschaft halbwegs würdigen Titel für vollendete Täuschung des eigenen Volkes geben würde, dann hätte ihn Lukas Podolski gestern erhalten. Denn kaum war an der Seitenlinie wieder halbwegs Ordnung hergestellt, hatte Podolski auf 2:0 erhöht. Weil diesem Treffer ein Pass von Miroslav Klose vorausgegangen war, der das halbe Tor wert war, konnte Podolski vergleichsweise separat feiern. Klose schlug einen Salto und hatte die Meute am Hals. So war das also: Da hatte dieser Podolski in den Vorrundenspielen gegen Costa Rica und Polen noch die besten Torchancen ausgelassen, weshalb schon von einer Krise die Rede war. Und jetzt, im Achtelfinale gegen Schweden, dem so wichtigen Auftakt in die so genannte K.-o.-Runde, trifft dieser „Kerl“ in wenigen Minuten gleich doppelt. „Mich freut’s für diesen Kerl“, sagte Bundestrainer Jürgen Klinsmann hinterher, „denn Tore sind immer das Beste, was einem Stürmer passieren kann.“

Der Bundestrainer war ja früher auch mal Stürmer, und vielleicht wird er für eine Sekunde 16 Jahre zurückgedacht haben. Vor 16 Jahren nämlich, auf den Tag genau, absolvierte Klinsmann das wohl beste seiner 108 Länderspiele. Der blonde Schwabe schoss das so wichtige 1:0 im Achtelfinale der WM 1990 in Mailand gegen Holland. Deutschland gewann dieses Spiel damals mit 2:1. Es war der Grundstein für den späteren Titelgewinn. Das 2:0 gegen Schweden vor 66 000 Zuschauern in der ausverkauften Münchner WM-Arena könnte eine ähnliche Wirkung haben. Mit dem Sieg hat Deutschland bei der 15. WM-Teilnahme zum 14. Mal die Runde der letzten acht erreicht.

Und es ist nicht mehr auszuschließen, dass es beim Turnier im eigenen Land noch ein Stückchen weiter geht. „Ich denke, wir können hoch zufrieden und stolz sein auf diese Mannschaft“, sagte Klinsmann. „Die erste halbe Stunde war außergewöhnlich. Ich kann mich nicht an eine deutsche Mannschaft erinnern, die so gespielt hat.“ Die deutsche Mannschaft war hoch konzentriert und hatte mit „vollster Energie“ losgelegt. Das hatten Klinsmann und sein Assistent Joachim Löw der Mannschaft ausdrücklich mit auf dem Weg aus der Kabine auf das Spielfeld gegeben. Die körperlich starken und international erfahrenen Schweden waren noch gar nicht so richtig bei Sinnen, da waren sie schon in Rückstand geraten. Die Skandinavier waren in den ersten Minuten zu passiv und kamen meist einen Moment zu spät in die Zweikämpfe. „Es war eine Verbindung aus Pech, einer guten deutschen Mannschaft und einem großen Willen des Gegners, an dem wir heute gescheitert sind“, sagte der schwedische Nationaltrainer Lars Lagerbäck.

Dass die deutsche Auswahl nach dieser famosen ersten halben Stunde ihre Arbeit etwas drosselte, hatte gleich mehrere Gründe. Der wohl wichtigste wurde hinterher von Klinsmann mit dem Wort kurios umschrieben. Es war die Gelb-Rote Karte gegen Teddy Lucic. Die Schweden mussten knapp eine Stunde mit einem Spieler weniger auskommen, sie bauten also um. Darauf aber mussten sich die Deutschen erst einstellen, was dauerte. „Der Rhythmus ist uns verloren gegangen“, sagte Klinsmann, „den mussten wir uns erst wieder neu aufbauen.“

Kurz nach Beginn der zweiten Hälfte hätte auch noch die deutliche 2:0-Führung verloren gehen können, denn nach einem Rempler Christoph Metzelders an Schwedens Stürmerstar Henrik Larsson pfiff der nicht immer souverän wirkende Schiedsrichter Simon aus Brasilien Elfmeter. Der gefoulte Spieler schoss selbst, und zwar über das Tor. Klinsmann sprach hinterher von einem „Luftschnapper-Elfer“. Der Strafstoß hätte zum Knackpunkt werden können, „da mussten wir erst ein-, zweimal durchpusten“, sagte er. Doch selbst wenn die Schweden auf 1:2 hätten verkürzen können, die Mannschaft vor Torwart Jens Lehmann machte immer den Eindruck, bei Bedarf noch einmal zulegen zu können. Rund um den verschossenen Elfmeter erspielte sie sich bei einem Ballbesitzverhältnis zu ihren Gunsten von 63:37 Prozent ungewohnt viele Torchancen, inklusive zweier Pfostenschüsse von Bernd Schneider und Michael Ballack. „So spielt ein Weltmeister“, sangen die deutschen Fans im Rang. Sie waren nicht böse, dass sie kein weiteres Tor zu sehen bekamen, sondern honorierten die Art und Weise, in der die deutsche Elf trotz einiger Wechsel und ohne an ihre Grenzen gehen zu müssen auch in der Schlussphase das Spiel kontrollierte.

Im Viertelfinale am Freitag in Berlin wartet nun Argentinien. „Das freut uns sehr“, sagte Jürgen Klinsmann, „wir sind jedenfalls bereit.“

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