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Sport: Deutschland schaut und lernt

Die Funktionärselite des Sports trifft sich in Berlin

Berlin - Etwas Schmerz kann Klaus Steinbach nicht verleugnen. „Natürlich sind wir noch traurig, auch wenn wir die Sache inzwischen verarbeitet haben“, sagt der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Die Sache – das ist die gescheiterte Leipziger Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012. Heute wird Steinbach gemeinsam mit anderen deutschen Sportfunktionären noch einmal an diese Niederlage erinnert werden. Denn bei der Versammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Berlin werden sich die übrig gebliebenen Bewerber für 2012 präsentieren. „Da können wir sicher auch etwas lernen“, sagt Steinbach.

Das Rennen um die Spiele 2012, das im Hotel Interconti zu besichtigen sein wird, ist auch für den deutschen Sport ein wichtiger Gradmesser. Sollte sich bei der Endauswahl im Juli in Singapur der Favorit Paris durchsetzen, sind die deutschen Pläne für einen neuen Anlauf 2016 vorzeitig gescheitert. Denn bei einem Zuschlag für eine europäische Stadt dürften die nächsten Spiele an einen anderen Kontinent gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt, ist nicht gerade gering, weil neben Paris mit London, Madrid und Moskau drei weitere europäische Hauptstädte im Rennen sind.

Zwölf Jahre nach dem Scheitern der Berliner Olympia-Bewerbung sind die höchsten olympischen Funktionäre und Sportpolitiker der Welt wieder zu Gast in der Stadt. Zunächst berät die Spitze des IOC, danach treffen sich die Sommer- und Wintersportverbände. Ab Montag tagt der wissenschaftliche Kongress Sportaccord, zu dem sich tausend Teilnehmer angemeldet haben. „Das hat schon etwas von einem Klassentreffen“, sagt das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach. „Hoffentlich wird es auch so amüsant.“ Für die Gastgeber ist die Veranstaltung eine ernste Aufgabe. „In diesen Tagen kann Deutschland zeigen, dass es nicht nur Weltmeisterschaften ausrichten kann“, sagt Steinbach. Nicht erst mit dem Scheitern des Leipziger Olympia-Anlaufes wurden die Deutschen gewahr, dass sie in der internationalen Verbandspolitik auf einer der Hinterbänke sitzen. In einflussreichen Gremien sind sie kaum noch vertreten. Das Treffen in Berlin ist deshalb auch für den deutschen Sport eine Art internationaler Neubeginn. „Alle Entscheidungsträger des Sports in der Stadt zu haben, ist ein hohes Gut“, sagt Sportsenator Klaus Böger (SPD). Der Senat liebäugelt, allerdings eher im Stillen, mit einer neuen Olympiabewerbung.

Für die Olympia-Kandidaten 2012 hat die Vorstellung in Berlin große Bedeutung. „Gute Präsentationen werden für eine erfolgreiche Bewerbung immer wichtiger“, sagt Bach. Abseits davon haben Bewerberstädte kaum noch Chancen, sich den IOC-Mitgliedern zu zeigen. Um Korruption zu verhindern und Kosten zu sparen, wurden die Reisen von Funktionären in Bewerberstädte drastisch beschränkt. Im Juni legt das IOC einen Evaluierungsbericht vor, der als wichtigste Entscheidungsgrundlage gilt. Bei der IOC-Versammlung im Juli gibt es die Schlusspräsentationen – und die Endauswahl.

Ebenso interessant wie das öffentliche Buhlen der Bewerberstädte und des Gastgebers Berlin um Anerkennung vom IOC dürften die internen Diskussionen werden. Die deutschen Funktionäre werden dabei ein weiteres Mal die Chancen einer Fusion ihrer Sportverbände ausloten, das IOC wird weiter verbissen um die Reform des olympischen Programms ringen. IOC-Präsident Jacques Rogge konnte sich bisher nicht mit seinem Vorschlag durchsetzen, den Modernen Fünfkampf, Softball und Baseball aus dem Programm der Sommerspiele zu streichen. Inzwischen wurde eine Kommission gebildet. Bis zum Abschluss der Tagung am Mittwoch dürfte offen bleiben, ob die Kommission der IOC-Spitze bereits offizielle Vorschläge macht. Für Rogge, der seit drei Jahren dem IOC vorsteht, ist das Thema eine wichtige Bewährungsprobe. Ihm wird am wenigsten daran liegen, in Berlin eine Lehrstunde in Sachen Sportpolitik erteilt zu bekommen.

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