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Aus dem Tief. Roy Carroll hat schwere Zeiten hinter sich. Foto: dpa/Zborowski

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Deutschlands Gegner Nordirland: Roy Carroll: Depressionen, Alkohol, Alpträume

Die Karriere von Nordirlands Torhüter Roy Carroll hatte viele Aufs und noch viel mehr Abs. Die EM könnte ein würdiger Abschluss seiner Profilaufbahn werden.

Mit ein paar Jahren Abstand kann Roy Carroll wieder darüber lachen. Über diesen „Albtraum“ von Testspiel damals bei Sheffield, über die acht Monate Arbeitslosigkeit, über seinen schmerzenden Rücken bei West Ham und über den verdammten Alkohol. „Du musst viele Rückschläge verkraften im Fußball, du kriegst das High Life, und dann kriegst du das Low Life“, sagt Carroll. „Und ich hatte sehr viele Low Lifes.“

Die Reise des heute 38-Jährigen beginnt bei Hull City, von wo aus der Nachwuchskeeper über Wigan Athletic 2001 zu Manchester United geht. Der hünenhafte Torwart gilt als einer der besten seiner Generation, unter Alex Ferguson spielt Carroll vier Jahre bei United, wird Meister, FA-Cup-Sieger, steht wie ein Baum im Tor, unerschütterlich und kräftig, verlässlich. Aber das ist nur die eine Seite.

Sir Alex Ferguson will Carroll halten, Carroll aber will mehr spielen, will die unumstrittene Nummer Eins sein, und geht einen Schritt zurück, um vorwärts zu kommen. Sein Start bei West Ham United 2005 verläuft vielversprechend, bis er sich schwer am Rücken verletzt und längerfristig ausfällt. Und die Probleme losgehen.

„Ich lag monatelang nur auf dem Boden. Ich konnte nicht mal aufstehen und mit den Kindern spielen.“ Eine Situation, mit der der ehrgeizige Carroll schlecht umgehen kann. „Ich dachte, die Verletzung würde meine Karriere beenden. Ich fiel in eine Depression und konnte mich nicht daraus befreien. Ich dachte: Ich bin ein Mann, ein starker Ire. Aber kein Mann ist stark genug, wenn eine Depression losgeht.“

Während der Verletzungspause greift Carroll zur Flasche, Gerüchte, er sei spielsüchtig, machen die Runde. „Ich war kurz davor, meine Familie zu verlieren, weil ich zu viel trank. Irgendwann sagte ich mir: ,Willst du so weitermachen und dich in zwei oder drei Jahren umbringen?’ Das hat mich aus dem Sumpf geholt.“

Unter falschem Namen in Entzugsklinik

Unter falschem Namen checkt Carroll in einer Entzugsklinik ein. Nach einigen Zwischenstationen landet er in Dänemark bei Odense BK. Dort folgt die nächste Episode des Low Life: Der Klub verpflichtet Stefan Wessels, Carroll findet sich auf dem Abstellgleis wieder. Acht Monate wartet er auf einen neuen Klub, die Alkoholsucht hängt ihm nach. Bei den wenigen Teams, die ihm eine Chance geben, versagt er. Bei Sheffield etwa, in jenem „Alptraum“ von Testspiel, in dem er in 25 Minuten zwei Tore fängt und anschließend mit Rot vom Platz fliegt. Die ohnehin schon spärlichen Anrufe werden weniger, bis sich irgendwann, als Carroll die Hoffnung fast schon aufgegeben hat, OFI Kreta meldet. Carroll sieht die Chance auf einen Neustart und ergreift sie.

Nach einem halben Jahr auf Kreta verpflichtet ihn Olympiakos Piräus, wo er dreimal Meister und zweimal Pokalsieger wird. Mit seinem ersten Ballkontakt für Olympiakos hält er direkt einen Elfmeter, ein anderes Spiel bringt er mit Fußverletzung über die Runden und hält mit zahlreichen Paraden den Sieg fest. Die Medien nennen ihn einen „einbeinigen Helden“, die Fans lieben ihn.

Nun, mit 38, trudelt seine Karriere dem Ende entgegen. Und auch wenn Carroll nur die Nummer Zwei im nordirischen Tor ist, ist alleine die Berufung für die EM ein würdiger Abschluss. Ein Stückchen wohlverdientes High Life.

Stephan Reich

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