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Sport: Die Disharmoniker

In 18 Tagen durch die Liga (12) – die Serie zum Saisonstart im Fußball/Heute: 1. FC Kaiserslautern

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga beginnt am 9. August. Anhand von zehn Fragen stellen wir bis dahin alle 18 Vereine vor.

Wer hat das Sagen? Jürgen Friedrich ist Vorstandsvorsitzender. Der starke Mann im Hintergrund aber ist der Aufsichtsratsvorsitzende Robert Wieschemann. Er ist impulsiv, oft burschikos und gilt als Freund klarer Entscheidungen. Hauptberuflich ist er als Insolvenzverwalter tätig. „Wir haben hier bei manchem oft zu lange zugeschaut“, sagt Wieschemann. Im Team bestimmen die Klienten des Spielerberaters Roger Wittmann – Mario Basler und Georg Koch – weitgehend die Richtung. Dazu kommen Routinier Harry Koch und Stürmerstar Miroslav Klose. Kapitän Thomas Hengen, gestärkt durch eine offizielle Wahl, trat zuletzt als Kritiker der Trainer und des Vorstandes auf. Friedrich hat zudem angekündigt, spätestens in einem Jahr aufzuhören. Kaiserslautern muss auch diese Personalfrage dringend lösen. Der Betzenberg wird zum Berg der Probleme.

Was ist das Besondere? Seit Jahren versucht Kaiserslautern, den Sprung in die Spitzengruppe der Liga zu schaffen. Zweimal verpasste man die Champions League, zweimal wurde der Uefa-Cup kläglich verspielt. Die Fans aber warten ungeduldig auf Erfolge. Die Funktionäre fallen durch Zögern und zu spätes Handeln auf. Im Team herrscht selten Harmonie. Grüppchenbildung und eine Fraktion unzufriedener Spieler, die nicht zum Einsatz kommen, erschweren die Arbeit. „Unsere Außendarstellung ist katastrophal“, sagt Vorstandschef Friedrich. „Es gibt hier eine Tendenz, sich selbst fertig zu machen." Man habe als „gallisches Dorf“ nur eine Chance, „wenn wir hier alle zusammen halten". Der Klub steckt in einer tiefen Krise.

Was hat sich verbessert? Der Klub hat es geschafft, das Fritz-Walter-Stadion als Spielort für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland Erfolg versprechend zu präsentieren. Die WM soll den Umsatz und den Bekanntheitsgrad von Verein und Stadt weiter fördern. Die Nominierung für die WM im eigenen Land hat zur Steigerung des schwankenden Selbstwertgefühls der wirtschaftlich schwachen Region beigetragen.

Wie sicher ist der Trainer? Andreas Brehme gilt als Trainer auf Abruf. Er soll sich jetzt nach der Entlassung seines zuvor gleichberechtigten Kollegen Reinhard Stumpf zwar freischwimmen. Ob aber Brehme die Probleme innerhalb der Mannschaft in den Griff bekommt, scheint fraglich. Zwei, drei Niederlagen und Brehme muss mit dem Rauswurf rechnen. Den Treueschwüren der Vereinsführung folgen immer gleich Warnungen, die wie Nadelstiche wirken. Etwa, dass die „Gesetze des Profifußballs“ auch für Brehme gelten. „Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden“, sagt der Trainerneuling, dem taktische und sprachliche Defizite nachgesagt werden.

Wie passen die Neuen? Wegen einer Verletzung fehlte Christian Timm aus Köln den Großteil der Vorbereitung. Wie er sich entwickelt, ist ungewiss. Herve Lembi aus Brügge fiel in den ersten Spielen durch seine Behäbigkeit auf. Der Mittelfeldmann ist aber vielseitig einsetzbar und ist als eine Art Abfangjäger vor der Abwehr vorgesehen. Markus Anfang (FC Tirol) und Selim Teber (Mannheim) werden ihre Chance suchen müssen. Die Transfers der Wunschspieler Simak aus Hannover und Kobiaschwili aus Freiburg konnte der FCK nicht realisieren.

Welche Taktik ist zu erwarten? Vom risikoreichen 4-4-3-System mit drei Spitzen bis zum 3-4-3 oder 3-5-2 ist alles denkbar, je nach Ausrichtung des Gegners. Ein Knackpunkt ist die linke Seite, für die sich Brehme Kobiaschwili gewünscht hätte. Lembi soll die hohe Quote an Gegentoren senken helfen. Obwohl mit Hengen der beste Libero und Abwehrchef seit Jahren zur Verfügung steht, kassiert der FCK zu viele Gegentreffer.

Wer sind die Stars? Miroslav Klose hat ein neues Niveau erreicht. Jetzt ist die große Frage, wie der schüchterne Bub aus Kusel den Rummel verkraftet und mit den gestiegenen Erwartungen fertig wird. Mario Basler eignet sich als Star nur bedingt. Sportliches und verbales Leistungsvermögen klaffen zuweilen auseinander. Hengen ist zu zurückhaltend und Timm zu neu, um als Star auftreten zu können. Viele im Pfälzer Team sind guter Durchschnitt mit Autogrammkarte, mehr nicht. Harry Koch ist der Liebling der Fans, aber im Klub nicht besonders hoch angesehen. Zuletzt wurde er kaum noch berücksichtigt.

Wie wird der Mangel verwaltet? Acht Millionen Euro fehlen dem Klub, sagt Aufsichtsratschef Robert Wieschemann. Ohne internationalen Wettbewerb muss der Klub sparen. Deutlich wurde das bei Transfers. Bei Simak zog man gegen Leverkusen den Kürzeren, und Kobiaschwili ist mit 3,5 Millionen Euro zu teuer. In diesen Krisenzeiten könnte sich der Vermarktungsvertrag mit der Deutschen Vermögensberatung fürs Fritz-Walter-Stadion als goldrichtig herausstellen. Das Geld allerdings ist schon verplant.

Was gibt das Stadion her? Das Fritz-Walter-Stadion gehört zu den schönsten der Liga. Die Stimmung kocht über, wenn die Fans in der Westkurve alles geben. Das Publikum gilt als treu und manchmal fanatisch, obwohl die Zuschauerzahlen leicht zurückgehen. Bis zur WM 2006 soll das Stadion weiter ausgebaut werden.

Wie sind die Fans? Im Gegensatz zur Mannschaft deutsche Spitze. Man muss die kernigen Charaktere mögen. Wer von draußen kommt, wird erst einmal mit Argwohn betrachtet. Hungern muss allerdings niemand. Der Pfälzer hat ein großes Herz und den Hang zu opulenter Gastfreundschaft im Privaten. Wer einmal auf dem „Worschtmarkt“ in Bad Dürkheim Freundschaft geschlossen hat, gehört zur Familie. Schwierig wird es nur, wenn im Auto ein Wimpel von Bayern München hängt. Und Vorsicht bei Würsten: In der Pfalz kommt die Schweinswurst oft als Pferd daher.

Oliver Trust

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