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Johannes Ludwig gewinnt in Peking die Goldmedaille.

© dpa/ Robert Michael

„Ein Zeichen, dass ich das Richtige getan habe": Rennrodler Ludwig gewinnt bei Olympia die Goldmedaille

Johannes Ludwig krönt sich nach einer durchwachsenen Karriere zum Rodel-Olympiasieger. Er behält die Nerven und fährt im dritten Lauf sogar Bahnrekord.

Jetzt steht endlich er in der Mitte, setzt die Maske ab, richtet Mütze und Jacke, pustet kurz durch und dann: genießen. Das alles ist neu für Johannes Ludwig. Olympiasieger zu sein, muss sich für ihn fast unglaublich anfühlen. In den Bergen von Yanqing gewann er die erste Goldmedaille für das deutsche Team bei diesen Spielen.

„Ich bin super, super happy und einfach froh, dass ich jahrelang drangeblieben bin. Die Freude an dem Sport hat mich immer weitermachen lassen", sagt er anschließend. Seit 16 Jahren rodelt Ludwig in der Weltspitze mit, was in Deutschland allein schon eine Leistung ist, kaum eine Sportart ist erfolgsverwöhnter. Zudem gibt es seit Jahrzehnten immer wieder neue Top-Talente, die nach vorne drängen. Noch verblüffender ist aber bei Ludwig, dass der bald 36-Jährige in all den Jahren kaum etwas gewonnen hat. Mal abgesehen von der Gewissheit, dass sich ein vierter Platz wirklich bescheiden anfühlt.

Fast schon regelmäßig ist er bei Meisterschaften knapp am Siegerpodest vorbeigefahren. Und wenn nicht, dann gehörten die Schlagzeilen trotzdem Felix Loch. So wie bei Ludwigs bislang größtem Erfolg, dem dritten Platz bei Olympia vor vier Jahren. Möglich geworden war der, weil Loch mit großem Vorsprung in Führung liegend einen schweren Fehler machte und auf den fünften Platz zurückfiel. Ludwig holte nach der Bronzemedaille mit der Teamstaffel noch Gold, ebenso bei der WM 2017 und 2020. Einen großen Einzeltitel aber hat er nie gewonnen – bis jetzt.

Bei der Siegerehrung sinkt Ludwig auf die Knie, küsst das Podium. Und die Goldmedaille schaut er beinahe ungläubig an. „Ich hatte zwei Olympische Spiele, für die ich mich nicht qualifizieren konnte, hatte viele vierte Plätze. Die Goldmedaille ist das Zeichen, dass ich das Richtige getan habe und sich jetzt alles auszahlt", sagte er.

Seit 16 Jahren rodelt Ludwig in der Weltspitze mit, was in Deutschland allein schon eine Leistung ist.

© REUTERS

Auf der tückischen Olympiabahn ist er der dominierende, weil konstanteste Rodler. Ausgehend von seiner Stärke, dem explosiven Start, bringt Ludwig vier sehr so solide Läufe den knapp 1,9 Kilometer langen Eiskanal hinunter. Und er behält auch am zweiten Tag die Nerven, fährt Bahnrekord im dritten Lauf. Am Ende hat er einen für Rodelverhältnisse doch deutlichen Vorsprung, 0,191 Sekunden liegt er vor dem Österreicher Wolfgang Kindl, den dritten Platz belegt der Italiener Dominik Fischnaller.

Nach der Saison soll seine Karriere eigentlich zu Ende sein

„Ich muss einfach nur meinen Job machen. Das klingt abgedroschen, aber so ist das als Leistungssportler", sagt Ludwig. Jetzt hat die „Startrakete“, wie sie ihn im Team nennen, tatsächlich seine Karriere noch krönen können. Das Größte kommt zum Schluss? Nach der Saison soll seine Karriere eigentlich zu Ende sein. „Jetzt wird er noch mal ein bisschen überlegen“, meint Bundestrainer Norbert Loch, der schon mit Ludwigs Vater gerodelt ist und Ludwig junior seit dessen Kindheit kennt.

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Ob Loch das gedacht hätte, nachdem er Ludwig vor sieben Jahren sogar schon mal in die B-Mannschaft verbannte? „Das Zeug dazu“, meint Loch, „hat der Hansi immer gehabt, nur die Courage, der Mut hat ihm lange Zeit gefehlt.“ Stattdessen habe er sich hinter die Vorzeigefahrer David Möller und eben Felix Loch zurückgezogen. „Nach vielen Höhen und Tiefen ist Hansi jetzt auf dem Zenit“, sagt der Bundestrainer.

Bei seinem Sohn Felix dagegen gerät das Beste mittlerweile zunehmend in Vergessenheit, zumindest für die nicht so rodelaffine Öffentlichkeit. Der Olympiasieger von 2010 und 2014, als er auch mit der Teamstaffel gewann, zählt zwar weiterhin zur Weltspitze. Aber zumindest in dieser Saison hat er offenbar mit Ludwig die Rollen getauscht, der vierte Platz ging an ihn. „Es ist halt wie's ist, einer muss Vierter sein“, sagt Loch, der nach der Zieleinfahrt von Ludwig nicht nur erster Gratulant ist, sondern sich wie das gesamte Team sichtlich ausgelassener freut als der neue Olympiasieger.

Die Zeiten als durch das deutsche Team ein Riss ging – hier die selbsternannte Trainingsgruppe Sonnenschein mit Loch, Natalie Geisenberger und dem Doppel Wendl/Arlt, da alle anderen – scheinen vorbei zu sein. Im Männerteam, das betont der Sechstplatzierte Max Langenhan, habe es sie nie gegeben. „Das wird eine fette Party geben. Ganz egal, ob mit Cola, Wasser oder Bier, denn jetzt ist eine Last abgefallen und ganz viel Druck“, sagt Langenhan, der sich anschickt, den Generationswechsel einzuleiten.

Tino Meyer

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