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Alba Berlins Basketballer Kenneth Ogbe und seine Teamkollegen zelebrieren das High Five beim Einlaufen.

© imago images/Bernd König

Die Geschichte der Handshakes: Warum das High Five Erfolg verspricht

Es ist die universellste Geste im Sport. Für die Athleten bedeutet sie mehr als Jubel: Teams, die sich öfter abklatschen, sind erwiesenermaßen erfolgreicher.

Von Johannes Nedo

Für Niels Giffey und Tim Schneider ist es Routine, aber eigentlich ist es eine eigene kleine Kunstform. Vor jedem Spiel von Alba Berlin haben die beiden Basketballspieler ein besonderes Ritual: ein filigranes Handschlag-Schauspiel, das sie in den verschiedensten Varianten zelebrieren. Schneider tut dann so, als würde er eine Flasche mit scharfer Sauce aus dem Kühlschrank holen und diese an Giffey zum Probieren übergeben. Giffey nimmt sie ihm ab, führt eine Fingerspitze zum Mund und kostet einen Tropfen. „Um Feuer zu fangen und heiß zu werden“, sagt Alba-Kapitän Giffey und grinst.

Was nach Quatsch und Spaß klingt, soll auch genau das sein. Allerdings ist es noch viel mehr. „Natürlich ist es erst mal eine lustige Sache“, sagt Schneider. „Aber es hilft mir auch, um in das Spiel reinzukommen.“ Auch während des Spiels folgt bei Schneider, Giffey und ihren Teamkollegen nach nahezu jeder Aktion die puristische Version des Handschlag-Schauspiels: das High Five.

Damit sind die Basketballer von Alba Berlin natürlich nicht allein – auch wenn wohl nur wenige Athleten dabei so virtuos agieren wie Giffey und Schneider. Wenn es darum geht, eine gelungene Aktion zu feiern oder jemanden nach einem Fehler wieder aufzumuntern, gibt es im Sport keine universellere Geste als das High Five.

In vielen Sportarten beginnt das Spiel mit High Fives

Wie wichtig das Abklatschen für die Athleten ist, zeigen sogar wissenschaftliche Studien. Psychologen der Universität Berkeley belegten: Mannschaften, die öfter High Fives austauschen, sind auch erfolgreicher – aber dazu später mehr.

Auf jeden Fall tun es alle Athleten: Eiskunstläufer genauso wie Turner, und Curler genauso wie Tennisspieler (vor allem im Doppel). Ebenso reichhaltig sind die Formen des High Five: Es gibt das Low Five, den Faust-Klatscher, das Einander-an-die-Brust-Hüpfen, den Po-Klatscher, das High Ten, das Low Ten, den Patscher mit Eishockey-Handschuhen und natürlich zahllose Abwandlungen von all dem. Es ist die natürlichste Form des Jubels.

Doch für die Sportler geht die Bedeutung des High Five weit über die kurzfristige Freude hinaus. „Ohne das Abklatschen fehlt mir etwas“, sagt Giffey.

Deshalb beginnt im Basketball und in vielen anderen Sportarten auch das Spiel mit High Fives: Wenn die Mannschaften aufs Feld kommen und sich die Spieler untereinander abklatschen. Die Geste ist also nicht nur ein spontanes Ritual, sondern auch fest in den Ablauf der Sportinszenierung integriert.

Den Handschlag kannten schon die Römer

Es ranken sich einige Legenden darum, wo, wie und durch wen das High Five seinen Weg in den Sport fand. Der Ursprung der Geste liegt selbstverständlich im klassischen Händeschütteln. Den Handschlag kannten schon die Römer, auch in der Bibel wird er erwähnt. Und er rührt daher, dass man mit offenen Händen dem Gegenüber zeigte: Ich bin unbewaffnet. Für Sportler ist das Abklatschen weitaus praktischer als ein inniger Händedruck, weil es sich quasi im Vorbeigehen erledigen lässt.

Als Urheber im Sport haben sich zahlreiche Athleten ins Spiel gebracht, unter anderem Basketball-Legende Earvin „Magic“ Johnson. Aber als erste dokumentierte High-Fiver gelten die Baseball-Spieler Dusty Baker und Glenn Burke von den Los Angeles Dodgers. Baker gelang am 2. Oktober 1977 ein Homerun und danach lief er mit nach oben gestreckter Hand auf Burke zu – und der schlug mit seiner Hand ein.

Richtig bekannt wurde das High Five in den USA dann durch die Basketballspieler der Louisville Universität. In der Saison 1978/79 klatschten sie sich regelmäßig nach erfolgreichen Würfen ab. Weil sie es bei Spielen taten, die landesweit im US-Fernsehen übertragen wurden, verbreitete sich das High Five danach über die Grenzen der Länder und Sportarten. Wer die ersten deutschen Athleten waren, die es übernahmen, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall ist die Geste auch aus dem deutschen Sport nicht mehr wegzudenken.

360 High Fives pro Satz bei den Volleyballern

„Für mich wäre es absolut unnormal, wenn ich mich nicht mit meinen Mitspielern abklatsche“, sagt Georg Klein. Der 28-Jährige ist Mittelblocker bei den BR Volleys – und in seiner Sportart wird das High Five geradezu exzessiv angewendet. „Es ist sehr aufbauend und unterstützend. Mit einem High Five habe ich sofort das Gefühl: Ich bin aufgefangen“, sagt Klein.

Dementsprechend oft klatschen sich die Volleyballspieler untereinander ab. Beim letzten Spiel der Berliner gegen Frankfurt war es als Beobachter der Handgesten unmöglich, alle High Fives, Low Fives oder Po-Klatscher exakt zu zählen. Acht bis zwölf Abklatscher zwischen jedem Punkt waren es bei den Volleys-Spielern aber mindestens. Bei rund 45 Punkten, die in einem Satz ausgespielt werden, sind das bereits 360 High Fives pro Durchgang.

Hände hoch. Georg Klein von den BR Volleys klatscht ab.
Hände hoch. Georg Klein von den BR Volleys klatscht ab.

© imago images/Bernd König

Und in den Satzpausen potenziert sich das noch einmal. Als etwa die Berliner in den Momenten vor Beginn des vierten Satzes an der Seitenlinie standen und darauf warteten, das Feld zu betreten, klatschten sich die sieben Spieler in kürzester Zeit mindestens 30 Mal ab. „Wir sind viele Spieler auf relativ engem Raum, da hat man automatisch schnell Körperkontakt mit den Teamkollegen“, sagt Klein. „Außerdem gibt es kaum eine andere Sportart, in der so schnell so viele Entscheidungen fallen. Etwa alle 13 Sekunden wird ein Punkt erzielt.“

Doch die Volleyballer tauschen nicht nur deshalb so viele High Fives aus, weil sie sich gar nicht aus dem Weg gehen können. „Das Abklatschen bringt uns enger zusammen“, sagt Kyle Ensing. Berlins Diagonalangreifer aus den USA klatscht sich seit frühester Kindheit mit seinen Mitspielern ab. Für ihn gehört es so sehr dazu, dass er auch High Fives mit unsichtbaren Mitspielern einstreut. Im Spiel gegen Frankfurt brachte er sich in einer Szene in Stellung für den nächsten Aufschlag der Gegner und streckte noch einmal für ein paar Abklatscher den Arm aus. Weil in dem Moment aber niemand in seiner Nähe war, schlug er trotzdem einfach in die Luft – ohne direkten Empfänger. Doch es störte ihn kein bisschen. „Das High Five ist einfach ein cooler Teil des Sports“, betont Ensing.

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Teams, die sich öfter abklatschen, sind erfolgreicher

Aber es ist nicht nur cool anzusehen. Es lässt auch Rückschlüsse darauf zu, wie erfolgreich Mannschaften sind – und wie gut sie harmonieren. So untersuchte der Psychologe Michael Kraus mit seinen damaligen Kollegen von der Universität in Berkeley, welchen Einfluss Berührungen während des Spiels bei den Basketball-Teams der NBA haben.

Kraus und seine Mitstreiter analysierten während der Saison 2008/09 jedes High Five und jede Berührung von 294 Spielern im ersten Saisonspiel. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Mannschaften, die sich öfter abklatschen, auch erfolgreicher sind. Sie agieren kooperativer auf dem Feld und interagieren mehr miteinander als Teams, die nicht so erfolgreich sind. Kraus konnte dabei ausschließen, dass gute Mannschaften nicht nur deshalb mehr abklatschten, weil sie gerade gewannen. Dafür bezogen die Wissenschaftler Statistiken zum Zusammenspiel und zu Korbvorlagen mit ein, ebenso die höheren Erwartungen an stärkere Mannschaften. Doch auch danach blieb der Zusammenhang: Wer sich mehr berührte, spielte erfolgreicher.

„Ich war selbst überrascht, dass die Korrelation zwischen Berührungen und guter Leistung so groß ausfiel“, sagt Kraus gegenüber dem Tagesspiegel. Der Psychologie-Professor, mittlerweile an der Yale Universität tätig, betont: „Wir Menschen kommunizieren über Berührungen und fühlen uns sicher durch Berührungen. Für ein Leben ohne Berührungen sind wir nicht gemacht, darum sind sie auch so wichtig für Sportler.“

Laut Kraus sind viele Berührungen zwar keine direkte Ursache für einen Sieg, „aber sie zeigen, wie gut es um das soziale Gefüge in einer Mannschaft bestellt ist“, sagt der US-Amerikaner. „Sich auf dem Feld zu berühren, ist ein Zeichen von Vertrauen.“ Zudem hätten die Sportler einen Vorteil gegenüber anderen Professionen: „Die Normen auf dem Spielfeld erlauben auf jeden Fall mehr Berührungen als im Büro.“

Die Erfolgsformel vieler High Fives kann Basketballspieler Niels Giffey vollkommen nachvollziehen. „An meiner US-Uni hat ein Sportpsychologe unserem Team mit auf den Weg gegeben: Je mehr ihr interagiert, umso positiver wirkt sich das für die Mannschaft aus.“ Doch der Hauptgrund, warum er so gerne High Fives verteilt und Handschlag-Rituale zelebriert, ist für ihn vor allem ein Gefühl: „Es macht einfach Spaß.“

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