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Mit vollem Einsatz. Autorin Anna-Chiara Sembdner hält den Ball fest.

© promo

Fußball-WM und Frauen: Erlebnisbericht einer Torhüterin: "Die Hälfte der Bevölkerung wird am Start zurückgelassen"

Fußball wird unter jungen Mädchen immer populärer. Doch wie wächst Frau mit ihrer Sportart auf, die von Männern dominiert wird? Welche Vorbilder hat sie? Ein Erfahrungsbericht einer erfolgreichen jungen Torhüterin aus Berlin.

Mein Name ist Anna-Chiara Sembdner, ich bin 15 Jahre alt und ich spiele seit über fünf Jahren in einer Mädchenmannschaft Fußball. Immer wieder werde ich gefragt, wie ein Mädchen eigentlich zum Fußball spielen kommt. Oder ob es mich den nicht stört das Fußball in den Augen vieler Menschen ein "Männersport" ist.
Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht warum ich als Fünfjährige unbedingt Fußball spielen wollte. Vielleicht, war es wegen meinem Großvater, welcher mit mir immer wieder Fußballthemen diskutiert hat, egal ob ich ihm folgen konnte oder nicht. Vor allem aber war es für mich damals das normalste der Welt auch mit Fußball anzufangen als die Nachbarskinder anfingen, auf der Straße zu kicken. Ich kann mich erinnern wie ich es damals kaum erwarten konnte, am Wochenende mit den Hausaufgaben fertig zu sein, um anschließend mit den Jungs, auf der kleinen Grünfläche hinter dem Haus mit tragbaren Hudora Toren ausgestattet, Fußball spielen zu können. Da war es mir egal, wenn mich die Jungs im Tor abstellten. Dabei sein, war alles. Kurz darauf fing ich an bei dem gerade neu gegründeten SV Viktoria Mitte in einer gemischten Mannschaft Fußball zu spielen.

Ich wurde von den Jungs kaum angespielt - weil ich ein Mädchen bin?

Damals gab es noch nicht mal einen richtigen Sportplatz für das Training. Stattdessen kickten wir einmal die Woche auf einer Beachvolleyballanlage im Sand herum. Mit acht absolvierte ich für eine Zeit lang Probetraining in der Jungsmannschaft vom SV Viktoria Friedrichshain. Hatte dort jedoch das Problem meinen Weg in die Mannschaft zu finden, fühlte mich nicht wohl und wurde aus meiner Sicht selten angespielt. War der Grund dafür der Fakt, dass ich ein Mädchen bin? Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Wäre es anders gelaufen hätte ich weiter bei den Jungs gespielt? Wer weiß.

Meine Eltern - selbst nicht besonders fußballaffin - dachten immer, dass ich irgendwann die Lust am Fußball verlieren würde. Dass das nur eine Phase war. Doch für mich war Fußball einfach alles. Auch heute ist das nicht anders. Bloß geht es nach oder vor den Hausaufgaben nicht auf dem Bolzplatz, sondern zum Fußballplatz des Blau Weiß Berolina Mitte. Mit ungefähr zehn Jahren entschied ich mich in der damals E-Jugend vom SV Berolina zu spielen. Heute habe ich dreimal die Woche Training und fast jedes Wochenende ein Pflichtspiel. Mit meiner Mannschaft schaffte ich es bereits zweimal in das Berliner Pokalfinale, zuletzt im Juni 2018.

In meinem Umfeld spielen erstaunlich viele Mädchen Fußball. Immer wieder treffe ich durch andere Freundinnen neue Gesichter die mit mir die Leidenschaft für den Fußball teilen. In den letzten Jahren hat sich der Mädchenfußball rasant entwickelt. In 2011 verzeichnete der DFB mehr als eine Million weibliche Mitglieder wovon fast 340.000 Mädchen unter 16 Jahren waren. Die Zahl stieg bis 2011 gewaltig an und fährt fort dieses bis heute zu tun. In 2011 gab es insgesamt über 13.000 Teams – doppelt so viele wie noch im Jahr 2004.

Der Fußball sollte Werte von Teamgeist, Fairness und Geschlossenheit vermitteln und dennoch wird die Hälfte der Bevölkerung an der Startlinie zurückgelassen

Und trotz dieser schnellen Entwicklung ist der Unterschied und die Unausgeglichenheit zwischen Frauen und Männer nirgendwo besser zu sehen als im Fußball. Der Fußball sollte eigentlich Werte von Teamgeist, Fairness und Geschlossenheit vermitteln und dennoch wird vor allem hier die Hälfte der Bevölkerung an der Startlinie zurückgelassen. Häufig stellen Mädchen sich die Frage ob es sich überhaupt lohnt, Fußballprofi zu werden, ob es sich finanziert. Und diese Frage ist nicht ganz unberechtigt. Während der Frauen-WM im Jahr 2015 erhielt die US Frauennationalmannschaft für den WM Sieg 1,8 Millionen Dollar. Die US Nationalmannschaft der Männer hingegen erhielt acht Millionen Dollar und eine Millionen Dollar für jeden erreichten Punkt in der Gruppenphase und dies alles obwohl sie bereits in der Gruppenphase ausgestiegen waren.

Vorbilder die Tatsächlich weiblich sind? Gibt es kaum. Namen wie Kimmich, Neymar, Reus, Buffon, Draxler, Iniesta und Lahm kommen aus den Mündern meiner Teamkolleginnen. Nur ein vereinzeltes Steffi Jones sorgt für etwas Abwechslung. Der Grund dafür? Eigentlich ganz einfach - schauen Sie sich zum Beispiel mal in einem Kiosk vor einer WM um. Hefte an Hefte reihen sich aneinander, die Sportbild, der Kicker und noch viele mehr. Auf Ihnen allen sind Wörter wie: "Alle exklusiven Infos zu WM" oder "Inklusiv ein Poster von Manuel Neuer", zu sehen. Kurz vor der WM der Frauen hingegen sieht man dort eher seltener eine Zeitschrift mit Informationen zu der WM und erst recht keine Poster von den weiblichen Stars. Selbst in meinem Zimmer sind die Wände ausschließlich mit Bildern von männlichen Fußballern geschmückt und das obwohl ich Nadine Angerer zu einer meiner Vorbildern zählen würde.

Für mich war und ist natürlich der Film "Kick it like Beckham" ein absoluter Favorit. Zwar ist auch in diesem Film das Vorbild der Protagonistin der männliche Fußballstar Beckham. Dennoch inspiriert mich genau dieser Film immer wieder auf's Neue, meinen persönlichen Traum zu verfolgen. Genauso wie die Protagonistin, Jess, treiben auch mich immer wieder die Leidenschaft, der Ehrgeiz und natürlich die dazugehörigen Erfolgserlebnisse an, weiter zu trainieren und immer wieder meine Grenzen auf´s neue herauszufordern.

Anna-Chiara Sembdner

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