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Gegenseitiger Respekt. Jan Schlaudraff bedankt sich in Hannover für das neue Vertrauen nicht nur mit Toren. Foto: dpa

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Sport: Die Krise gemeistert

Jan Schlaudraff besiegt Sevilla fast im Alleingang

Von Christian Otto

Fußball am Abend und unter Flutlicht: Was in Hannover fast zwei Jahrzehnte lang absoluten Seltenheitswert besaß, könnte künftig zur Normalität werden. Das Überraschungsteam von Hannover 96 nutzte gestern Abend die Gunst der Stunde in der Europa League. Als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre, sich Donnerstag abends mit internationalen Spitzenklubs zu duellieren, trumpfte die Mannschaft von Trainer Mirko Slomka auf. Zwei sehenswerte Treffer des früheren Nationalspielers Jan Schlaudraff machten einen 2:1 (2:1)-Heimsieg im ersten Play-off-Spiel gegen den FC Sevilla möglich. Den Niedersachsen fehlt damit nur ein kleiner Schritt, um in die Gruppenphase eines Wettbewerbs einzuziehen, in dem noch vor einem Jahr niemand mit ihnen gerechnet hatte.

„Ich habe ein gutes Spiel gemacht und bin absolut zufrieden“, freute sich Schlaudraff und sagte mit Blick auf das Rückspiel am kommenden Donnerstag: „Wenn wir in Sevilla 90 Minuten Gas geben, dann ist alles möglich.“ Sein Trainer analysierte ähnlich nüchtern: „Das war ein ganz hohes Tempo über 90 Minuten. Wir waren entschlossen vor dem Tor und haben Sevilla früh attackiert, so wie wir es uns vorgenommen hatten, um sie nicht ins Spiel kommen zu lassen.“

Doch zuvor hatte das Kühle und Norddeutsche, das Hannover 96 und seinen Fans gerne nachgesagt wird, gestern spielfrei. 43 500 Zuschauer, darunter nur 50 mitgereiste Andalusier, bereiteten sich einen äußerst stimmungsvollen Abend.

Der erste Ausflug von Hannover 96 in den europäischen Fußball seit 19 Jahren hatte Schlaudraff ganz besonders beflügelt. Hier ein Hackentrick, dort ein Doppelpass: Gegen den flinken Angreifer fanden die Spanier kein Mittel. Bei seinem frühen 1:0 in der neunten Minute hatte Hannover von einem Ausrutscher in Sevillas Hintermannschaft profitiert. Einen Pass von Mohammed Abdellaoue verwertete Schlaudraff mit dem rechten Außenrist ins linke Toreck. Bei seinem 2:1 Sekunden vor der Halbzeitpause hatte ihn der frühere Berliner Manuel Schmiedebach per Doppelpass bedient.

Was meistens gelang, ging nur einmal schief. Statt nach einem abgefangenen Ball sofort den Gegenangriff einzuleiten oder den Ball zumindest aus der Gefahrenzone zu schießen, versuchte 96-Kapitän Steven Cherundolo ein riskantes Zuspiel am eigenen Strafraum, das als Fehlpass endete und das zwischenzeitliche 1:1 durch Frederic Kanouté in der 37. Minute ermöglichte.

Ihren Schönheitsfehler in der Abwehr konnten die Gastgeber aber durchaus verschmerzen. „Das kann uns auch entgegen kommen. Sevilla muss ja nun ein Tor machen, das könnte unserer Spielweise helfen“, sagte Manager Jörg Schmadtke. Slomkas Erfolgsmannschaft, die in dieser Saison bisher alle Pflichtpartien gewonnen hat und auch am Sonntag (17.30 Uhr) im Bundesliga-Heimspiel gegen Hertha BSC Favorit sein dürfte, strotzt nur so vor Selbstvertrauen.

Vor allem Schlaudraff verdiente gesonderten Applaus. Es liegt noch kein ganzes Jahr zurück, dass ihn sein Trainer öffentlich degradierte und zum Verkauf freigegeben hatte. Doch der ehemalige Profi des FC Bayern München, dessen Mangel an Einsatzbereitschaft und hohe Verletzungsanfälligkeit ihm schon oft im Weg standen, füllt seine Rolle als hannoverscher Hoffnungsträger nach diversen Anfeindungen mittlerweile aus. Die Abwehrspieler des FC Sevilla machten ein ziemliches ratloses Gesicht, als Schlaudraff zu seinen Geniestreichen ansetzte.

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