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Sport: Die letzte Chance

Hansa Rostock empfängt heute Mönchengladbach und suspendiert kurz zuvor noch René Rydlewicz

Auch an diesem Morgen macht Peter Schmidt in der Vereinsgaststätte des Rostocker Fanprojekts wie gewöhnlich seine Arbeit: Er beruhigt aufgebrachte Fans, nimmt Ticketbestellungen entgegen, organisiert die nächste Gruppenfahrt. „Auswärtsspiele laufen gut. Aber wir verkaufen 50 Prozent weniger Karten für die Heimspiele als in der vergangenen Saison“, sagt Schmidt. Seit mehr als 32 Jahren verpasst er nach Möglichkeit kein Spiel des FC Hansa Rostock. „Keine Saison war so schlimm wie diese“, sagt der 43-Jährige und schüttelt den Kopf. An den Klassenerhalt glaubt er nicht mehr: „Aber man hofft immer. Bis zum letzten Tag.“

Am Samstag kommt Borussia Mönchengladbach zum abgeschlagenen Tabellenletzten. Die auswärtsschwächste Mannschaft der Liga trifft auf die heimschwächste. Hansas Trainer Jörg Berger hat das Spiel als das „absolut vorentscheidende“ bezeichnet. Als die letzte Chance, mit dem ersten Sieg im heimischen Ostseestadion vielleicht doch noch einmal etwas aufzuholen.

Mit grimmiger Miene und zackigen Anweisungen leitet der 60-Jährige dieser Tage das Training. Nach der 0:4-Niederlage in Wolfsburg drohte er damit, Mitläufer auszusortieren. „Die Reaktion der Mannschaft war sehr positiv“, sagt Berger, und es klingt, als klammere er sich an den letzten Strohhalm. „Noch habe ich den Klassenerhalt nicht abgeschrieben.“

Der Verein plant auch für die Zweite Bundesliga. „Wir sind das gewöhnt“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Horst Klinkmann ohne Sarkasmus. Nach den Schlagzeilen der vergangenen Wochen versucht er, etwas Ruhe in den Klub zu bringen. Das geplante Engagement von Hansas Rekordnationalspieler Gerd Kische, das als Demontage des Klubchefs Manfred Wimmer gewertet wurde? Eine Zeitungsente, beteuert Klinkmann. Die Kündigung Tjikuzus? Schmerzlich, aber unvermeidbar, weil „Fußball auch immer ein soziales Unternehmen ist“. Über die wirtschaftlichen Aussichten des Klubs sagt er: „Ich bin sehr optimistisch, dass wir das gesamte Gebiet des Sponsorings neu besetzen können.“ Ruhe will bei Hansa dennoch nicht einkehren.

Nach Medienberichten soll Mittelfeldspieler René Rydlewicz von Mitgliedern des Rostocker Rotlichtmilieus erpresst worden sein soll. Rydlewicz dementiert: „Alles Quatsch.“ Jedoch suspendierte ihn der Klub am Freitag bis auf weiteres. Vorstandschef Wimmer erklärte: „René soll vor den Bundesligaspielen in Dortmund am 1. Mai 2004 und in Köln am 15. Mai 2004 erst gegen 6 Uhr morgens im Mannschaftshotel gewesen sein. Da er sich uns gegenüber dazu nicht äußern wollte, wird er bis auf weiteres freigestellt.“

Solche Meldungen ärgern Hansas Marketingchef und Vorstandsmitglied Ralf Gawlack besonders, denn er bemüht sich gerade um Sponsoren. Gawlack befürchtet ohnehin, dass die Spieler die zähen Verhandlungen erschweren könnten: „Man kann absteigen. Das ,Wie‘ macht den Unterschied.“ Im Falle des Abstiegs muss der Klub mit rund der Hälfte des derzeitigen 24,5-Millionen-Etats auskommen. „Einige Spieler werden wohl auf ein Lohnniveau von vor acht Jahren zurückfallen“, prophezeit Gawlack. Hansa habe bereits begonnen, sich von Mitarbeitern zu trennen: einem Archivar, einem Busfahrer und einer Kraft für den Ticketverkauf. Etwa 20 von ihnen müsste im Ernstfall wohl gekündigt werden. Auch Peter Schmidt, als offizieller Fanbeauftragter bei Hansa angestellt, fürchtet um seine Zukunft und die des Fanprojekts: „Keine Ahnung, wie es weitergeht. Düster sieht’s schon jetzt aus.“

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