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Sport: Die neue Freiheit

Bei Borussia Dortmund kompensieren einige Fußballprofis den Gehaltsverzicht durch einen Freizeitausgleich, den sie sich gleich selbst genehmigen

Dortmund. Wenn das Geld knapp wird, hilft nur noch Sparen. Und Sparen erfordert Disziplin, vor allem Haushaltsdisziplin. Die Spieler des börsennotierten Fußballvereins Borussia Dortmund stimmten einer Regelung zu, wonach ein Teil ihrer ursprünglich garantierten Bezüge in Erfolgsprämien umgewandelt wurden.

Faktisch kommt diese Abrede inzwischen einem Verzicht auf 20 Prozent des Gehalts gleich, da die Mannschaft im nationalen wie im internationalen Pokalwettbewerb früh gescheitert ist. Während die Geschäftsführung trotz möglicher Ertragseinbußen von mehr als 20 Millionen Euro Liquiditätsengpässe dementiert, lässt bei manchen Profis die Arbeitsmoral nach. Drei Spieler schwänzten den Trainingsstart. Dedé, Evanilson und Juan Fernandez haben ihren Urlaub um mehrere Tage verlängert. Sie kombinieren den Gehaltsverzicht mit einem Freizeitausgleich, den sie sich selbst genehmigen.

Die Finanzkrise ermöglicht es ihnen, sich jenseits vertraglicher Pflichten manche Freiheit zu nehmen. Wer will gegen sie vorgehen, wenn sie sich schon freiwillig in finanziellem Verzicht üben? Trainer Matthias Sammer zeigte sogar Verständnis. Die Spieler seien „nicht einfach so weggeblieben“. Alles nur ein Mangel an Kommunikation. „Wir haben vielleicht ein bisschen aneinander vorbeigeredet“, sagt der sonst so penible Fußball-Lehrer und fügt an, er sei bereit, mit den säumigen Profis „Kompromisse zu machen“. Sportmanager Michael Zorc aber bezeichnete die mangelnde Kommunikation mit dem Trainer als unbefriedigend. „Es wird eine empfindliche Geldstrafe geben“, sagte Zorc im Trainingslager der Borussia im spanischen Marbella. Auch ein Gespräch mit Fernandez nach dessen verspäteter Anreise konnte Zorc nicht milde stimmen. „Die Argumente haben mich nicht überzeugt.“

Unterdessen fand Trainer Sammer sogar Gründe, sein Personal zu loben. Er müsse der Mannschaft ein Kompliment dafür machen, dass sie trotz vieler Ausfälle in der Hinrunde „nicht auseinander gebrochen“ sei. Der Trainer meint: „Die Spieler haben sich moralisch und verbal gut verhalten.“ Auch Tomas Rosicky? Der Tscheche hatte seine Bereitschaft erklärt, „gern auch woanders zu spielen“, und seinen Gehaltsverzicht fürs Erste auf den 31. Dezember 2003 befristet gesehen. Angeblich war alles nur ein Missverständnis, Folge eines Übersetzungsfehlers, wie sich herausstellen sollte – oder musste.

Die Maßstäbe des Sittenverfalls im börsennotierten Dortmunder Fußballbetrieb hat allerdings Marcio Amoroso gesetzt. Der brasilianische Stürmer nimmt die Ermahnungen seines Arbeitgebers schon lange locker. Nicht erst seit dem Gehaltsverzicht pflegt er, unter Anleitung seines Beraters Nivaldo Baldo, ein gespanntes Verhältnis zu Sammer. Als er sich wochenlang ohne Erlaubnis des Klubs in Brasilien aufhielt und von dort aus die medizinische Abteilung und den Trainer kritisierte, fühlte sich BVB-Präsident Gerd Niebaum an das Niveau der Auseinandersetzungen zwischen den zerstrittenen Popstars Dieter Bohlen und Thomas Anders erinnert. Eines Tages geruhte Amoroso jedoch nach Deutschland zurückzukehren, ließ sich sogar vom Vereinsarzt untersuchen. Und prompt gab die Vereinsführung bekannt, beide Parteien hätten sich darauf geeinigt, die Zusammenarbeit fortsetzen zu wollen, sobald Amoroso seine schwierige Knieverletzung überwunden habe.

Der teuerste Dortmunder Profi, dessen Vertrag noch bis Ende der nächsten Saison läuft, ist buchstäblich noch nicht „abgeschrieben“. Amoroso und andere machen, was sie wollen, und sie wissen sogar, was sie tun. Der Verein indes ist dabei, neben viel Geld auch viel Autorität zu verlieren.

Dieser Verlust könnte im Tagesgeschäft Punkte kosten. Niebaum, der zuweilen als waghalsig beschriebene Geschäftsführer, beurteilt die Lage neuerdings vorsichtig. „Wir haben uns sportlich noch nicht aufgegeben. Aber wenn wir in der nächsten Saison nicht international spielen oder nur im Uefa-Pokal, müssen wir uns anders aufstellen.“

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