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Sport: Die neue Stärke

Was als Übergangsjahr geplant war, entpuppt sich für Hertha BSC als Saison mit Qualitätszuwachs

Niko Kovac tat so, als sei Herthas Sieg beim Meister in Bremen das Normalste der Welt. „Ich kann mich an keine nennenswerte Torchance der Bremer erinnern. Wir haben hier klar gewonnen“, sagte Herthas Mittelfeldspieler nach dem erst dritten Sieg der Berliner an der Weser seit Einführung der Bundesliga 1963. Und auch Manager Dieter Hoeneß trug das neu gewonnene Selbstvertrauen offen zur Schau: „Intern haben wir in dieser Saison noch nicht einmal sagen müssen, der Gegner war besser.“

Hertha BSC hat mittlerweile die selbst verordnete Zurückhaltung aufgegeben. Der Sieg in Bremen und die Aussicht, am kommenden Wochenende den Tabellenzweiten Schalke 04 im ausverkauften Olympiastadion zu empfangen, weckt nicht nur beim Anhang der Berliner neue Erwartungen. „Wenn wir Schalke schlagen, haben wir eine fantastische Ausgangslage, das internationale Geschäft zu erreichen“, sagte Hoeneß. „Dann kommen noch vier Spiele, mal sehen, was da noch geht.“ Der Kampf um Platz drei, und damit die Chance auf eine Teilnahme an der Champions League, ist Realität geworden.

Eigentlich war die Saison 2004/05 als Übergangsjahr geplant. Zu groß war die allgemeine Verunsicherung nach einer verkorksten Spielzeit und dem erst kurz vor Schluss vermiedenen Abstieg. Hertha wollte sich unter dem neuen Trainer Falko Götz erst einmal fangen und gab ein bescheidenes Saisonziel aus. Doch jetzt, fünf Spieltage vor dem Saisonschluss, ist ein Uefa-Cup-Platz in Sicht und das Träumen von der Champions League nicht mehr verboten.

Wie aber ist Herthas neue Stärke zu erklären? Vielleicht mit der eigenen Vergangenheit. Als Hertha vor fast sechs Jahren in die Champions League stürmte, hatte kein Mensch die Berliner auf der Rechnung, und die handelnden Personen erst recht nicht. Hertha kickte die zweite Saison nach dem Aufstieg in der Bundesliga. Die Mannschaft spielte befreit auf, konnte einige Vereine überraschen und hatte Teamgeist vorzuweisen. Auch vor der laufenden Saison trauten die wenigsten Hertha zu, eine solche positive Rolle zu spielen wie jetzt. Der Saisonstart verlief holprig, fünf Unentschieden reihten sich aneinander. Wichtig war in dieser Phase für die Spieler die Erkenntnis, dass sie mithalten konnten. Es reichte noch nicht zu Siegen, aber sie waren auch schwer zu besiegen.

Mit jedem Spiel steigerte sich die Mannschaft. Der Trainer hatte seinem Team eine taktische Ordnung verpasst, die von den Spielern Schritt für Schritt verinnerlicht wurde, ihnen Glauben an ihr Leistungsvermögen schenkte und Sicherheit zurückgab. Die Siege, vor allem auswärts, die sich anschlossen, spielten dafür eine große Rolle. Zum Teamgeist trat das individuelle Können mit zunehmendem Saisonverlauf weiter in den Vordergrund. Als Glücksgriff entpuppte sich die Verpflichtung Yildiray Bastürks, der Marcelinho in der Spielgestaltung und im Torabschluss entlastet, ohne ihn aber ersetzen zu müssen. Die so dazugewonnene Stärke in der Offensive ist ein weiterer Trumpf der Berliner.

Die Basis aber der Erfolge war und ist die Kompaktheit im defensiven Verhalten, nicht nur der Verteidiger. Siehe FC Chelsea. Diese Spitzenmannschaft lässt dank ihrer kompakten Spielanlage wenige Gegentore zu, ist aber auf Grund ihrer individuellen Klasse im Offensivbereich jederzeit in der Lage, selbst ein Tor zu erzielen. So werden Fußballspiele gewonnen. Und das, obwohl auch die Londoner ähnlich wie Hertha oft nur mit einer nominellen Sturmspitze spielen.

Falko Götz gilt als ein Anhänger eines offensiven Stils. Dass ausgerechnet er keine treffsicheren Angreifer zur Verfügung hat, kann, muss aber kein Nachteil sein. Es ließ ihn erfinderisch werden. Götz heckte ein taktisches Konzept aus, das auf Sicherheit beruht, aber gleichzeitig die Möglichkeit bietet, schnelle Gegenstöße zu inszenieren. Dass dieses eigene Profil aber schon jetzt so erfolgreich sein würde, überraschte selbst den Trainer. Aber auch der lernt dazu. An seinem taktischen Grundsystem mit einem breiten, spielstarken und torgefährlichen Mittelfeld will Falko Götz nicht viel ändern. Der neue Stürmer, den Hertha im Sommer verpflichten will, muss vordergründig diesem System dienlich sein.

Hertha ist langsam wieder wer. Der Sieg in Bremen war ein Qualitätsnachweis. „Ja, das war ein sehr wichtiges Spiel“, wie Falko Götz sagte, „aber ein noch schöneres kommt am Samstag.“

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