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Sport: Die Ohnmacht der Bärtigen

Ein 0:2 gegen die Bayern zeigt: Beim abstiegsgefährdeten Hamburger SV lassen die spielerischen Verbesserungen auf sich warten

Von Karsten Doneck, dpa

Fast teilnahmslos verfolgte das Publikum die Schlussphase. Das Bemühen der eigenen Mannschaft um den Anschlusstreffer gegen den 2:0 führenden FC Bayern fiel allzu kläglich aus. Doch plötzlich, gerade ging ein mächtiger Regenschauer über der AOL-Arena nieder, erhob sich auf den Rängen ein donnernder Chor. „HSV! HSV!“, dröhnte es wie auf Kommando durchs gesamte Stadion. Ein Schrei der Verzweiflung. So ziemlich jeder der 57 000 Zuschauer, die sich trotz norddeutschen Schmuddelwetters die 0:2-Testspielniederlage gegen den Deutschen Meister aus München als Liveerlebnis zumuteten, hat begriffen: Dieser Hamburger SV, mit Trainer Thomas Doll oder vielleicht auch bald ohne ihn, bewegt sich wirklich nur noch am Rande der Erstklassigkeit. Nach 43 Jahren ununterbrochener Bundesliga-Zugehörigkeit liegt die Zweite Liga ganz nahe.

Nur die HSV-Profis verharmlosen nach wie vor die Situation. „Wir haben eine gute Mannschaft beisammen“, behauptet Abwehrspieler Bastian Reinhardt, als wäre ihm die aktuelle Bundesliga-Tabelle fremd. Dort findet sich der HSV auf dem vorletzten Platz wieder, mit nur einem Sieg aus 17 Spielen. „Wir haben doch gegen die Bayern in der zweiten Halbzeit gefightet und gut dagegengehalten“, rechtfertigte sich Verteidiger Volker Schmidt unter Vernachlässigung des Aspekts, dass die Münchner nach ihrer locker herausgespielten Führung auf Ergebnisverwaltung umschalteten.

Verändert hat sich während der Winterpause nicht viel beim HSV. Gut, mit Frank Rost steht jetzt ein Torwart hinten drin, der auch mal den Mund aufmacht. Wenn der ehemalige Schalker aber von seinen Vorderleuten so schmählich im Stich gelassen wird wie bei den beiden Gegentoren gegen die Bayern, dann reagiert auch der 33-jährige Rost sprachlos. „Es kann nicht alles klappen. Schließlich waren bei uns ja auch einige Spieler eingebaut worden, die im Trainingslager in Dubai nicht gespielt haben. Da kann es noch nicht so rund laufen“, sagte Volker Schmidt. Ein Hinweis auf Guy Demel, Nigel de Jong und Juan Pablo Sorin, die sich nach langen Verletzungspausen jetzt erst wieder langsam an die Mannschaft herantasten müssen.

„Einigen fehlt noch Spielpraxis und ein bisschen die Fitness“, sagt Bastian Reinhardt. Nur: Der HSV braucht jetzt im Abstiegskampf erfahrene Spieler, die fit sind bis in die Haarspitzen. Torwart Frank Rost hat schließlich in Anlehnung an seinen früheren Trainer bei Werder Bremen schon mal die nicht unvernünftige Forderung aufgestellt: „Otto Rehhagel hätte jetzt gesagt: Das Schiff hat Schlagseite. Jetzt müssen wir die Leichtmatrosen runterschicken, das Kommando übernehmen jetzt die Männer mit den Bärten.“ Was aber, wenn die Bärtigen noch lahmen? Zum Rückrundenbeginn muss der HSV am kommenden Samstag bei Arminia Bielefeld antreten, am folgenden Mittwoch kommt Energie Cottbus nach Hamburg, danach geht es zu Hertha BSC. „In Bielefeld werden wir eine andere HSV-Mannschaft erleben“, verspricht Thomas Doll. Allerdings fehlt in den ersten beiden Spielen der gesperrte Spielmacher Rafael van der Vaart, der gegen den FC Bayern nach seiner Einwechslung zur Pause den HSV-Aktionen wenigstens etwas Ordnung und Spielkultur verlieh.

„Wir haben noch viel zu tun, vor uns liegt noch eine Menge Arbeit“, hat Doll erkannt. Zumindest Volker Schmidt sieht aber auch Land. Er betrachtet die Vorbereitung auf die Rückrunde als ein permanentes Auf und Ab. „Wir haben in Dubai zweimal gewonnen und einmal verloren. Danach haben wir wieder in Rostock gewonnen und nun gegen die Bayern verloren. Jetzt müssen wir eben am nächsten Samstag wieder gewinnen.“ Wenn’s doch so einfach wäre.

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