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DIE SPORTLER DES JAHRES STEHEN FEST Welche deutschen Athleten 2007 begeistert haben: Mit Teamgeist zum Selbstläufer

Die Handball-Nationalmannschaft gewann im Januar WM-Gold – an das nur sie selbst geglaubt hatte

Berlin - „Komm, wir holen uns den Weltpokal“, sangen „De Höhner“ am 19. Januar in der Max-Schmeling-Halle voller Inbrunst. Und auch: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Angesichts eines eher dürftigen 27:22 der deutschen Handballer zum Auftakt der WM gegen Brasilien wirkten diese Textzeilen eher peinlich – weil kaum jemand sich vorstellen konnte, dass es wirklich dazu kommen könnte. Die legendäre Generation um Stefan Kretzschmar, Daniel Stephan und Christian Schwarzer war nach Olympia 2004 abgetreten, zudem musste Bundestrainer Heiner Brand einmal mehr vor einem wichtigen Turnier wegen Verletzungen auf Leistungsträger verzichten.

Am 4. Februar, keine drei Wochen später, 29 Jahre nachdem deutsche Handballer letztmals WM-Gold gewonnen hatten, spielte in Köln wieder die Kultband vom Rhein. Und nichts an ihrem Auftritt vor 19 000 Zuschauern wirkte mehr peinlich. Kapitän Markus Baur schwenkte den fast 30 Kilogramm schweren Weltpokal, neben ihm spritzte der Champagner, alle Spieler hatten sich eine goldene Krone aufgesetzt und sich zum Dank an ihren Coach Heiner Brand auch Bärte angeklebt. Von der Hallendecke der Köln-Arena regnete es goldenes Glitzerkonfetti. Deutschland hatte sich 29:24 im WM-Finale gegen Polen durchgesetzt. 16,16 Millionen Zuschauer hatten dieses WM-Endspiel verfolgt – keine andere Fernsehsendung des Jahres erreichte diesen Wert. Kein „Wetten, dass …?“, keines der EM-Qualifikationsspiele der deutschen Fußballer und auch nicht die Formel 1. Wenn im Zusammenhang mit der Handball-WM immer wieder über ein „Wintermärchen“ berichtet wurde, so ist das ein Teil davon.

Was aber hat die Handballer zu dieser höchstens erträumten Popularität kommen lassen? Was hat sie in Deutschland zur „Mannschaft des Jahres“ werden lassen, wo das Angebot an ausgezeichneten Team-Leistungen so umfangreich wie lange nicht mehr war? Heiner Brand, der bodenständige Trainer mit dem hohen Identifikationsgrad, gab selbst die Antwort darauf: „Für uns war es eigentlich gar nicht möglich, Weltmeister zu werden. Ich habe immer die Mannschaft bewundert, wie sie gnadenlos trotz aller Hiobsbotschaften an ihrem Ziel festgehalten hat. Zweifel wollte keiner hören. Der Sieg gegen Slowenien in der Hauptrunde war der Befreiungsschlag, danach war Hochstimmung.“ Das sei der Kick gewesen, wo es passierte, sich drehte und alles zum Selbstläufer wurde.

Was Brand nicht sagte: Er voran und dann seine Spieler kamen derartig glaubwürdig herüber, dass ihnen die deutschen Sportfans den Erfolg einfach gönnten. Als bestes Beispiel stand dafür das Comeback des 37 Jahre alten Christian Schwarzer, der die WM als Kokommentator für das ZDF begann. Plötzlich, vor dem ersten Spiel gegen Polen wurde der Lemgoer gebraucht, er packte seine Sachen, und spielte sofort wie in seinen besten Zeiten. Später beschrieb er seine Rolle in aller Bescheidenheit: „Ich habe nur versucht, Dinge wie Einstellung, Spaß und Engagement zu vermitteln und eine kleine Richtung vorzugeben.“ Es zeichnete das Team aus, dass es sofort auf ihn hörte, aus seinem WM-Einstieg neue Kraft schöpfte. Da spielte Neid keine Rolle, sondern alles wurde dem Erfolg untergeordnet.

Bei dieser Handball-WM war die Mannschaft der Star, obwohl in ihr viele Stars spielten. Für Christian Schwarzer war das die Grundlage für den Erfolg. „Auch wir haben gute Einzelspieler, aber unsere Stärke ist die Geschlossenheit. Das ist charakteristisch für deutsche Teams, und davor haben die anderen Nationen den größten Respekt“, sagte er nach der WM. Und dann fügte er hinzu: „Der WM-Song hat mir von Anfang an gefallen. Den Weltpokal, das WM-Gold, wollten wir doch alle.“ Jetzt sei er nur noch stolz, dass „Handball in Deutschland so populär ist“.

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