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Sport: Die Strömung der Harmonie

Bei der Kieler Woche wollen die Berlinerin Kathrin Kadelbach und Segelpartnerin Friederike Belcher ihrem Traum näher kommen: Olympia 2012

Berlin – Manchmal kann eine Pause den Erfolg bringen. Bei der Berlinerin Kathrin Kadelbach und ihrer Segelpartnerin Friederike Belcher ist das so gekommen. Beide hatten sich nach ihrer gescheiterten Olympia-Qualifikation für 2008 aus der 470er-Klasse zurückgezogen, um sich auf ihr Studium zu konzentrieren. Jetzt sind sie zurück – und besser als je zuvor. „Die Pause hat sie vorangebracht, weil sie auch mal über den seglerischen Tellerrand hinausgeschaut und andere Sachen probiert haben“, sagt ihre engste Beraterin und Begleiterin, Ulrike Schümann vom Verein Seglerhaus am Wannsee.

Bei der ersten von drei Qualifikationsregatten für Olympia 2012 im englischen Weymouth haben Kadelbach und Belcher vor einer Woche die ersten wichtigen Punkte gesammelt und sich gleich an die Spitze der nationalen Wertung geschoben. „Wir waren selbst überrascht, dass wir gegen die jungen Teams so schnell wieder den Einstieg geschafft haben“, sagt Kadelbach. Die 27-Jährige will mit Belcher nun bei der zweiten Qualifikationsregatta, der seit gestern laufenden Kieler Woche, ihren Vorsprung verteidigen.

Dass sie überhaupt noch einmal zusammen in die 470er-Jolle gestiegen sind, ist eine kleine Überraschung. „Rike hat daran immer geglaubt, ich war eher skeptisch“, sagt Kadelbach. Zu tief saß die Enttäuschung darüber, dass sie bei der Olympia-Qualifikation für 2008 nicht starten durften. „Ich will nicht sagen, wir hätten es gepackt. Die anderen waren sehr gut“, sagt die Steuerfrau, „aber wir hätten gern die Chance bekommen, uns sportlich zu beweisen.“

Das Problem: Belcher war zuvor nach Australien gegangen und startete für den dortigen Verband. Nun wollte sie wieder für Deutschland segeln, doch die Australier verweigerten die Freigabe. Die Sportlerinnen gingen dagegen vor. Erst diplomatisch, dann juristisch: Bis zum Internationalen Sportgerichtshof CAS klagten sie. Vergeblich. „Wir hatten da so viel Zeit reingesteckt“, sagt Kadelbach, „danach waren Motivation und Lust weg. Wir brauchten Abstand.“

Zweieinhalb Jahre vergingen, in denen beide die Grundlagen für ihre berufliche Zukunft legten. Die Berlinerin schloss ihr Studium der Medienwissensschaft an der Humboldt-Universität ab, die Hamburgerin ihr Studium der Soziologie und Sozialpädagogik in Australien. Das Segeln haben sie in dieser Zeit nie aus den Augen verloren. Bei Belcher ging das auch gar nicht, schließlich ist die 29-Jährige mit Weltmeister Mathew Belcher aus Australien verheiratet. Kadelbach probierte sich indes im Matchrace. Eine Erfahrung, von der beide heute profitieren, sagt Trainerin Schümann, selbst dreimalige Weltmeisterin und Olympia-Vierte: „Beide scheuen sich nicht vor aggressiven Rennen.“ Schümann hebt zudem hervor, dass sie jetzt nicht nur „älter und abgeklärter“ seien, sondern sich auch „als Menschen sehr gut verstehen“. Kadelbach war zum Beispiel Trauzeugin als Belcher, geborene Ziegelmayer, heiratete.

Früher gegeneinander, spät miteinander – es hat lange gedauert bis beide zueinander gefunden haben. Dabei saßen Vater und Großvater bereits 1960 in Rom in einem Boot. Doch erst Ende 2006 beschlossen die Studentinnen gemeinsam zu segeln, nachdem sich beide zufällig gleichzeitig von ihren Segelpartnern getrennt hatten. Bundestrainer Malte Philipp sprach von einem „Glücksfall“. Das neue Paar gewann auf Anhieb die australische Meisterschaft und die Sydney International Regatta. Und bei der Weltmeisterschaft 2008 belegten sie den zehnten Platz – womit sie die Olympia-Qualifikationsnorm erfüllt hätten.

Der 470er ist ein leichtes, schnelles Segelboot. Wer mit dieser Jolle gewinnen will, muss nicht nur fit, sondern auch gedankenschnell und taktisch gewieft sein – und muss viel reden. Dabei schlagen die Sportler auf der rauen See einen rauen Ton an. Nicht so Kadelbach und Belcher. „Das läuft bei ihnen sehr harmonisch und trotzdem leistungsorientiert ab“, sagt Schümann. Kadelbach erklärt, dass nur so Rückschläge besser wegzustecken seien. Das habe sich zuletzt in Weymouth bezahlt gemacht – und soll es nun auch bei der Kieler Woche wieder.

André Wornowski

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