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Sport: „Die Tour verdrängt“

Klaus Steinbach über den Stellenwert der Schwimm-EM

Am Sonntag kam die Schwimm-EM im Fernsehen auf 27 bis 33 Prozent Marktanteil. Kann man da von einem Schwimm-Boom reden?

Ich denke schon. Der Boom wurde ausgelöst vom Weltrekord der 4-x-100-Freistil-Staffel am Anfang und den Dauererfolgen danach. Es gab ja keinen Tag, an dem es wirklich danebenging. Dadurch wurde das Interesse immer größer.

Warum kommt Schwimmen im Moment so gut bei den Zuschauern an?

Es war ein hervorragender Termin: Vor Beginn der Fußball-Bundesliga, vor der Leichtathletik-EM, direkt nach der Tour de France. Kein sonstiges sportliches Highlight hat die Schwimmer verdrängen können. Und die Öffentlich-Rechtlichen haben großzügig Sendezeit zur Verfügung gestellt. Sie haben richtig entschieden.

Die Präsidentin des Deutschen Schwimmverbandes reiht ihren Sport schon als Nummer drei hinter Fußball und Formel 1 ein.

In diesem Jahr kann sie das sicherlich machen. Die deutschen Erfolge bei der Schwimm-EM verdrängen die Ergebnisse der Tour de France. Wir müssen aber abwarten, was in diesem Jahr noch passiert.

Dabei fand in Berlin nur eine Europameisterschaft statt und keine Weltmeisterschaft.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Amerikaner und Australier superstarke Schwimmnationen sind und ein nicht so wichtiges Jahr durchmachen. Aber wenn man die EM mit den Ergebnissen der Commonwealth Games vergleicht, muss man feststellen, dass die besten Resultate in Berlin erzielt wurden.

Wo stehen die deutschen Schwimmer in der Welt?

Auf einem wesentlich besseren Niveau als 2000 in Sydney. Da sind sie unter Wert geschlagen worden. Das, was sie damals schon draufhatten, haben sie in Fukuoka bei der WM auch gezeigt und jetzt bestätigt. Das ist ein hervorragender Weg – auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2004.

Wie groß war der Anteil von Franziska van Almsick am Erfolg?

Ich würde den Erfolg nicht auf eine Person beziehen, sondern auf die 4-x-100m-Freistil-Staffel. In Sydney wollte die gleiche Mannschaft Gold gewinnen, Weltrekord schwimmen - und wurde Vierter. Das hat sich wie ein schwerer Mantel auf die Mannschaft gelegt und alle runtergezogen. Jetzt ist genau das Gegenteil passiert, die Staffel schwimmt Weltrekord - und plötzlich haben alle Zutrauen zu sich selbst.

Trotz der Erfolge weiß Franziska van Almsick noch nicht, ob sie weitermachen will.

Sie hat jetzt Titel noch und nöcher – aber erst durch einen Olympiasieg wird sie als Sportlerin unsterblich. Das ist das, was sie noch erreichen kann, da bin ich felsenfest überzeugt.

Ist das deutsche Schwimmen nicht zu sehr von der Person Franziska van Almsick abhängig.

Ein Nachteil ist es nicht, das hat sich gezeigt. Früher hatten viele im Team ein Problem damit, dass Franziska im Mittelpunkt stand, auch wenn sie schlecht schwamm. Diese Eifersüchteleien sind überwunden. Sie sagen: Jede Medienaufmerksamkeit ist gut für uns.

Was kann das Schwimmen tun, um die Aufmerksamkeit zu erhalten?

Jetzt ist der Höhepunkt vorbei. Das Interesse wird sich in Richtung Leichtathletik bewegen, aber man wird mit Sicherheit Vergleiche zur Schwimm-EM ziehen. Und da hat es die Leichtathletik jetzt schwer.

Das Gespräch führte Benedikt Voigt.

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