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DIE WELTCUPS DES WINTERS BEGINNEN Welche Sportler auf Schnee und Eis glänzen wollen: Eine selbst gestrickte Karriere

Biathlon-Weltmeisterin Magdalena Neuner geht gut vermarktet in die Saison und muss beweisen, dass sie dem Druck stand hält

Berlin - Wie gut, dass Magdalena Neuner Winter- und nicht Sommersportlerin ist. Vor allem einem ihrer Sponsoren, einen Hersteller von Wolle und Handstrickgarnen, muss das sehr gelegen kommen. So kann Neuner auf ihrer neuen Homepage www.magdalena-strickt.de in ihrem „Strickblog“ guten Gewissens einflechten, dass es im Trainingslager in Skandinavien „ziemlich kalt ist – höchste Zeit für eine selbst gestrickte Mütze“. Und als sie sich zuletzt mit den deutschen Biathletinnen in Muonio in Finnland auf die am Donnerstag beginnende Saison vorbereitete, verriet sie, „dass es schon um 15 Uhr dunkel wird, da hab ich natürlich auch viel Zeit zum Stricken.“ Drei Mützen habe sie schon fertig und einen Pullunder angefangen. Der Fan kann sich Strickmuster herunterladen und eine Autogrammkarte von Neuner in hellblauem Pullunder und mit der Aufschrift „Magdalena Neuner. Biathletin und Strickfan“ bestellen.

Auch vor einem Jahr hat Magdalena Neuner die dunklen Abende im hohen Norden mit Stricknadeln in der Hand verbracht – da hat es nur noch niemanden interessiert. Schließlich war die Juniorenweltmeisterin damals nur Experten bekannt. Für die breite Masse war sie ein 19 Jahre alter Nobody ohne Weltcupsieg, gefragt waren andere: Kati Wilhelm und Martina Glagow. Doch ein paar Tage im Februar 2007 in Antholz haben das Leben der Magdalena Neuner radikal geändert: Ein Jahr nachdem sie bei ihrem Weltcupdebüt nach Schießfehlern und einem Sturz auf Platz 41 gelandet war und heulend in Ruhpolding gesessen hatte, war sie plötzlich dreifache Weltmeisterin. Im Sprint und in der Verfolgung düpierte sie mit einer unglaublichen Laufleistung die Weltelite und holte auch mit der Staffel Gold. Plötzlich hatte sie einen Fanklub in Russland, war das Sportgesicht des Winters und konnte sich vor Sponsorenanfragen nicht retten. Vergangene Woche hat sie innerhalb von zwei Tagen elf Telefoninterviews gegeben. Und Stefan Schwarzbach, der Pressesprecher der deutschen Biathleten, sagt: „Glauben Sie, man kann das mit irgendeiner anderen Sportlerin machen? Hoffentlich bleibt das Mädel so.“

Als im Frühjahr der Schnee getaut war, glaubte Neuner, sie könne vorübergehend in ihr altes Leben zurückschlüpfen. „Ich dachte, im Frühling lege ich die Beine hoch. Aber es war viel los. Ich war total gestresst“, erzählt sie. Abends steckte sie das Telefon aus, um Ruhe zu haben. Sie musste lernen, Nein zu sagen und nicht mehr pflichtbewusst alle Termine anzunehmen. Zweimal täglich Training, dazwischen ein Interview mit ständigem Blick auf die Uhr, „abends war ich völlig am Ende. Ich habe gemerkt, dass ich Abstriche machen muss, sonst bringt es beiden Seiten nichts.“

So wählte sie zusammen mit ihrem Manager Stephan Peplies aus 80 Sponsorenanfragen zehn aus, die laut Peplies „ein sehr gutes wirtschaftliches Ergebnis erzielen, aber für eine sanfte Vermarktung stehen.“ Sie muss nicht ständig für Termine zur Verfügung stehen, sondern kann sich auf ihren Sport konzentrieren. Vielen ihrer Sponsoren ist gemein, dass sie die Produkte aus Kindheitstagen kennt oder ihr Interesse an Design einbringen kann. So wird der Schuhversandhandel, bei dem ihre Familie seit langem einkauft, 2008 eine Magdalena-Neuner-Kollektion mit 24 Modellen herausgeben, auf deren Farbe und Form sie Einfluss nehmen konnte. Gleiches gilt für das geplante Magdalena-Neuner-Sofa eines Polstermöbelherstellers. So viel ist den Sponsoren Neuners Gesicht wert, dass „ich gelegentlich erschrecke, wenn ich auf meinen Kontostand schaue“, wie sie sagt. Ihr Manager Stephan Peplies, der unter anderem auch die früheren Weltmeisterinnen Martina Glagow und Martina Ertl vermarktet, spricht denn auch davon, dass sich „Neuner in der Wintersportvermarktung des letztes Jahrzehnts abgrenzt.“

Bodenständigkeit, Eloquenz, Glaubwürdigkeit und gutes Aussehen nennt Peplies neben den Überraschungs-WM-Titeln als Qualitäten der 20-Jährigen. „Sie vergisst nie ihre Wurzeln, ihre Familie und ihre Heimat“, sagt er. Neuner kommt aus dem beschaulichen 1500-Einwohner-Ort Wallgau in Oberbayern und hat als Kind nicht nur stricken, sondern auch Harfe spielen gelernt. Ihr Vater dirigiert die örtliche Musikkapelle und hat als Bankkaufmann die Geldanlage seiner Tochter übernommen.

Wenn am Donnerstag in Kontiolahti in Finnland die Saison beginnt, muss Magdalena Neuner beweisen, dass sie sich ihre Unbekümmertheit und Gelassenheit erhalten hat. „Der Druck kommt von außen“, sagt sie, „es wird erwartet, dass ich mindestens so gut bin wie letztes Jahr. Aber das war eine Ausnahme.“ Drei Wochen war die Juniorsportlerin des Jahres in der Saisonvorbereitung erkältet, fühlt sich aber mittlerweile wieder fit. „Ich will im Weltcup immer unter die ersten zehn kommen und bei der WM eine Medaille gewinnen“, sagt Magdalena Neuner und fügt vorsichtshalber hinzu: „Es muss nicht die goldene sein.“

Helen Ruwald

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