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Blick nach vorn.

© dapd

Sport: Die Wende

Mario Gomez lässt seine Kritiker verstummen.

Bastian Schweinsteiger war der Schrecken in die Glieder gefahren. „Ehrlich gesagt, ich war geschockt“, sagte der Mittelfeldspieler, als er auf das erste Tor von Mario Gomez gegen Holland angesprochen wurde. Geschockt über dessen technische Brillanz und körperliche Leichtigkeit. Er hätte auch Wendigkeit sagen können. Denn das war ja irgendwie das große Thema, das schwer über Mario Gomez lag. Mehmet Scholl hatte es mit seiner Kritik nach dem Portugalspiel ins Rollen gebracht: „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wundgelegen hat, dass man ihn wenden muss.“

Und wie er sich beim 1:0 von ganz allein wendete. Nach einem schneidigen Zuspiel Schweinsteigers, der die holländische Innenverteidigung durchtrennte wie ein Messer die Butter. Große Güte, muss Schweinsteiger dann gedacht haben, wie dieser Kanten von Kerl den Ball erst mit dem linken Fuß annahm, sich um eigene Achse drehte und mit dem rechten Fuß abschloss – ein Tor aus einem Guss.

Doch der verhaltene Jubel des Torschützen danach erzählte noch eine andere Geschichte. Die andere Hälfte der Wahrheit. Natürlich ist Gomez als typischer Strafraumstürmer einer der besten der Welt. Aber er ist auch sensibel. Zu Beginn der Wundliege-Debatte gab er sich der Kritik gegenüber relaxt-distanziert. Er verstehe sie als Ansporn. Gestern aber, zwei Tore gegen Holland später, gab er einen tieferen Einblick in seine Seele. „Das war Druck ohne Ende, als hättest du ein paar hundert Kilo auf den Schultern“, erzählte Gomez. Nach dem Siegtor gegen Portugal habe er noch gedacht, er sei jetzt drin im Turnier, „und dann kriegst du drei Tage nur auf die Fresse“. Über diese schwierigen Momente habe ihn das Gespür hinweggeholfen, „dass die wichtigen Leute hinter mir standen“. Wobei ihm vor allem zu Beginn des Spiels gegen Holland noch komische Gedanken durch den Kopf schossen, sodass er „gegrübelt“ habe. Aber dann hat sich das Moment, das ein Torjäger braucht, zu seiner Seite geneigt. Ein Moment, dass bei den beiden vergangenen Turnieren, der EM 2008 und der WM 2010, eben nicht an seiner Seite war. Qualität mal hin oder her.

„Es ist gut zu wissen, dass wir einen Stürmer haben, der eigentlich aus keiner Chance ein Tor macht“, sagte Schweinsteiger. Und auch Philipp Lahm, sein anderer Münchner Vereinskollege, sagte: „Wir wissen, was wir an Mario haben. Das waren Weltklassetore.“ Das zweite Tor war sein zwölfter Ballkontakt, insgesamt kam Gomez auf 26 – die wenigsten von allen deutschen Spielern. Schließlich meldete sich noch mal Scholl zu Wort. Gestern ließ der frühere Nationalspieler wissen, wie stolz er auf Gomez sei: „Einsatz und Erfolg haben zusammengepasst.“ Was für eine Wendung.Michael Rosentritt

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