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Dehnen gegen den Druck. Christoph Daum setzt in Frankfurt auf die Verschmelzung von Physis und Psyche. Foto: dapd

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Sport: Diktator trifft Motivator

Beim Spiel Wolfsburg gegen Frankfurt kommt es zum Duell von Felix Magath mit Christoph Daum

Erhaben wie ein Feldherr, mit verschränkten Armen, beobachtet Felix Magath das wilde Treiben. Seit der 57-Jährige beim VfL Wolfsburg wieder das Sagen hat, ist ein blauer Medizinball das Zentrum des Trainingsplatzes, wenn etwa der Meistermacher sein Lieblingsutensil für ein Handballspiel ausgibt. Nach Herzenslust wird dann gerangelt, gerauft und gezogen – und würde diese Sportart professionell betrieben, müsste der alte und neue Cheftrainer zwingend die Herren Grafite, Madlung, Josué, Lenz oder Schäfer nominieren, alles Vertraute aus seinem gestählten 2009er-Jahrgang.

Über den Medizinball an und für sich behauptet Magath: „Das ist einfach ein gutes Trainingsmittel. Da ist es mir egal, ob jemand glaubt, dass das modern ist oder nicht.“ Die Zuschauer am grünen Gitterzaun registrieren es mit Wohlgefallen – nach der von seinen Vorgängern angeblich grob vernachlässigten Konditionsarbeit erntet Magath dafür am Mittellandkanal viel Schulterklopfen.

Am Sonntag trifft seine seit zwei Wochen schwer malochende Mannschaft auf Eintracht Frankfurt, wo Christoph Daum unter ähnlichen Umständen als Heilsbringer begrüßt wurde. Wenn dessen Spieler sich auf Anweisung gegenseitig abklatschen oder auf den Adler auf der Brust klopfen, applaudieren die Zuschauer am Rande. Daums Credo klingt so: „Die beste Medizin ist der Ball.“ Er meint damit nicht den Medizinball. Daum versteht sich eher als Freund denn als Feind seiner Kicker. Daum erklärt und erläutert, wo Magath anweist und befiehlt; Daum gestikuliert und motiviert, wo Magath schaut und straft.

Während Magath Reize setzt, indem er seine Profis eine stufen- und rampenförmige Wolfsburger Erhebung, wahlweise „Hügel der Leiden“ oder „Meisterberg“ genannt, hochtreibt, zieht Daum seine Spieler nun ganztags an der Frankfurter Arena zusammen, um „Kopf und Körper auf Wolfsburg“ vorzubereiten. Mit langen Einzelgesprächen und noch längeren Einheiten – eine dauerte gar 126 Minuten. Was Daum plakativ so erklärte: „150 Minuten musst du rennen können, 120 Minuten kämpfen und 90 Minuten spielen.“ Und: „Die Jungs sind schlau genug, alles zu begreifen, wenn nicht, bleiben sie eben draußen.“ Sätze, die auch von Magath stammen könnten.

Die beiden Charakterköpfe müssen ihren Personalstamm in Kürze auf Höchstleistung trimmen. Und genau wie es Magath bei dieser Mission nur im Helferpaket mit seinen rustikalen Assistenten Bernd Hollerbach und Werner Leuthard gab, war Daum nur im Arbeitsverbund mit seinem knorrigen Kompagnon Roland Koch und seinem als Videoanalytiker tätigen Sohn Marcel zu haben. Koch behauptet: „Kein Trainerteam bildet sich so weiter wie wir.“ Magaths Standpunkt lautet: „Ich kenne nur einen Weg.“

In Wolfsburg kommt es zum Showdown zweier gleichaltriger, aber unterschiedlicher Trainertypen. Berührungspunkte der beiden: 1990 wollte Magath als Manager bei Bayer Uerdingen den gerade beschäftigungslosen Trainer Daum locken. Vergeblich. Heute sagt Daum über Magaths Methodik nur: „Es gibt kein richtig oder falsch.“ Und Magath sagt über Daums Tun: „Jeder muss so arbeiten, wie er es für richtig hält.“ Für beide gilt, was Magath unlängst sagte: „Der Abstieg wäre nicht für den Verein, sondern auch für mich eine persönliche Katastrophe.“

Der VfL Wolfsburg hat sich wieder dem System Magath verschrieben, weil es VW-Vorstandschef Martin Winterkorn so wollte: Nicht nur an den Bändern des Autobauers, sondern auch auf dem Trainingsgelände hinter der konzerneigenen Arena stehen Werte wie Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin wieder vornan. Im täglichen Miteinander redet Magath wenig – er will undurchschaubar bleiben, selbst Angestellten auf der Geschäftsstelle gibt er gerne Rätsel auf. Um sein Team mitzunehmen, gibt es den aus dem Meisterjahr obligatorischen Kinoabend vor dem Spiel.

Der Traditionsverein in Frankfurt hat sich vorerst bis Saisonende auf den Wunsch von Vereinsboss Heribert Bruchhagen in die Hände des Einpeitschers Daum begeben. Der ist auserkoren, die depressive Phase im Frankfurter Stadtwald zu beenden. Doch Daum dämmert allmählich, wie schwer diese Mission wird: „Als Heribert Bruchhagen bei mir war, habe ich den Ernst der Lage gar nicht so erkannt.“ Immerhin: Lösbar sei die Aufgabe allemal, Spitzenreiter aus den finalen sieben Spielen wolle man werden.

Einen ersten Sieg am Sonntag kann nur einer davontragen: Magath, zumeist der erfolgreiche Eigenbrötler, oder Daum, gerne der emotionale Erlöser.

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