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Claudia Pechstein verklagt die Eisschnelllauf-Gemeinschaft.

© dapd

Doping-Vorwürfe: Claudia Pechstein will Eisschnelllauf-Gemeinschaft verklagen

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein will weiterhin ihre Unschuld im Doping-Fall beweisen und gibt nicht auf. Nun will ihren bislang engsten Verbündeten verklagen: die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft.

Von Katrin Schulze

Das idyllische Ambiente passt nicht zu der harten Ansage. Im Türkeiurlaub, bei 30 Grad im Schatten, verkündet Claudia Pechstein, welcher Gegner für sie der nächste ist: die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Die will die 39 Jahre alte Eisschnellläuferin jetzt auf Schadenersatz verklagen – und zwar nicht irgendwie. „Es ist brutal, was passiert ist. Mein Leben wurde zerstört, und das kann man auch nicht wieder gutmachen. Deswegen muss die Summe utopisch sein“, sagt sie. Grundlage der Klage ist ein Antwortschreiben des Eislauf-Weltverbands (ISU) infolge ihrer Selbstanzeige wegen eines möglichen Doping-Vergehens. Laut ISU dürfe sie demnach trotz erhöhter Blutwerte weiter unbehelligt starten.

Dass nun die DESG im Fall Pechstein dran glauben muss, scheint bizarr, hat der Verband doch bisher immer zu ihr gehalten. „Aber es gibt keine andere Möglichkeit“, sagt Pechsteins Lebensgefährte Matthias Große. „Wir müssen dort klagen, wo der Schaden entstanden ist, also in Deutschland.“ Von der Nachricht aus der Türkei zeigte sich die DESG überrascht, aber auch verständnisvoll. Präsident Gerd Heinze gab bekannt, dass er die Klage weiterreichen werde. Noch aber gibt es sie ja gar nicht, die angekündigte Klage. Wie hoch genau die Forderung in der nach ihren Angaben 500 bis 600 Seiten dicken Klageschrift sein wird, möchte Pechstein erst Ende Oktober sagen. Ihre Anwälte sitzen allerdings schon an der Ausarbeitung.

Und Matthias Große sitzt die ganze Zeit neben Claudia Pechstein, während sie sich in einer entlegenen Ecke der Hotelanlage äußert, oft redet er auch für Claudia Pechstein, und meist lässt er dabei ihren Vornamen weg. „Einen Fall wie Pechstein wird es nie wieder geben“, sagt er. „Alle haben gedacht, Pechstein wird nicht mehr zurückkommen, aber Pechstein wird sich wehren, und Pechstein wird solange kämpfen, solange sie starten darf mit den erhöhten Werten, und solange sie nicht rehabilitiert ist. Egal, wie lange das sein wird.“

Pechstein hat ihren Fall mitgenommen an die türkische Mittelmeerküste zur Urlaubs- und Eventwoche „Champion des Jahres“. Zwei Jahre lang, genauso lange wie sie für internationale Wettkämpfe gesperrt war, musste Claudia Pechstein der Veranstaltung fernbleiben. Dieses Jahr ist sie wieder dabei. Und dieses Jahr spiegelt sich im gemeinsamen Urlaub mit anderen Kollegen ihr Kampf um ihren Ruf und um sich selbst. Wenn sie durch den Robinson Club schlendert, bleibt sie nur selten unbeobachtet. Jeder hier will wissen, wie sie sich wohl gibt oder ob sie sich verändert hat nach all dem Hickhack um erhöhte Retikulozytenwerte, der darauffolgenden einzigartigen Sperre per indirektem Dopingbeweis, dem Erscheinen ihrer Biografie und den vielen Gerichtsverfahren. Es ist mitunter ein absurdes Spektakel.

Sehr gut sei sie von den anderen Sportlern empfangen worden, „hier ist keiner, der mir gegenüber etwas Blödes sagt“, erzählt Pechstein. Und doch stecken manchmal einige hinter ihrem Rücken die Köpfe zusammen und tuscheln über sie. Zum Teil zweifeln sie daran, ob es richtig ist, dass sich die Eisschnellläuferin wieder in diesem Rahmen präsentiert. Und ob sie denn wirklich dieses ganz große Rad drehen müsse. Sie brauche sich nicht zu verstecken, sagt die Betroffene selbst, und so geht Claudia Pechstein in ihrem Urlaub unter die Leute.

Nur einmal fehlte sie abends, weil sie sich auf dem Zimmer die Urteilsverkündung gegen die amerikanische Studentin Amanda Knox im Mordprozess ansah, mit der sie sich verbunden sieht. „Ihr Sieg war auch ein Sieg für mich“, sagt Pechstein. Auch sie sei zu Unrecht verurteilt worden, und sowieso: Diejenigen, die von eins bis drei denken können, hätten das schon verstanden.

Im Detail kann zwar kaum ein Athlet ihren komplexen Fall nachvollziehen, ihr Weg allerdings findet auch Anerkennung. Wenn sie wirklich nichts gemacht habe, dann sei es richtig, dass sie sich wehrt, heißt es von vielen. Nur die Art und Weise, wie sie dabei vorgeht, stört die Kollegen, mit denen sie früher bei der Veranstaltung oft feierte. Mitunter geht es ihnen mächtig auf die Nerven, dass sie gar kein anderes Thema kenne als den Kampf um das Bild ihrer Unschuld.

Claudia Pechstein ist sich bewusst, dass man mit einem derartigen Weg wie dem ihrigen vermutlich keinen Sympathiepreis gewinnt. „Am Ende ist es mir egal, was andere über mich denken“, sagt sie. „Ich muss an mich denken. An mein Leben.“

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