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Christoph Niessen

© dpa

Doping: "Wir klingeln jetzt auch nach 23 Uhr"

Nada-Geschäftsführer Christoph Niessen über die Telekom, intelligente Dopingkontrollen und Überwachung per GPS.

Herr Niessen, wird der Kampf gegen Doping leichter, wenn sich Großsponsoren wie die Telekom zurückziehen?

Geld ist ein möglicher Anreiz zu dopen. Die sehr hohen Verdienstmöglichkeiten im Radsport haben sicher ihren Anteil an der jetzigen Situation. Insofern wird das schon Wirkung zeigen.

Welche Konsequenzen hat der Rückzug der Telekom aus dem Radsport für Sie?

Die Telekom war bislang ein sehr verlässlicher Unterstützer der Nada, in diesem Jahr ist sie mit Geld- und Sachleistungen von fast einer halben Millionen Euro unser wichtigster Partner aus der Wirtschaft. Man hat uns versichert, dass man uns auch zukünftig unterstützen wird.

Seit fünf Monaten sind Sie Geschäftsführer der Nada und haben Einblicke ins Dopingsystem wie kaum einer in Deutschland. Wie groß war Ihr Realitätsschock?

Eines vorneweg: Wenn ich die große Zahl an Leistungssportlern anschaue, muss ich sagen, dass der Generalverdacht nicht zutrifft. Anderseits hat es mich erschreckt, wie kriminell das Umfeld ist und wie groß die Bereitschaft von Athleten ist, sich selbst zu schädigen. Es gibt tatsächlich das Motto: Wir probieren alles was geht.

Das muss hart für jemanden sein, der vorher beim Sportbund Rheinland vor allem die schönen Seiten des Sports kennen gelernt hat, soziale Projekte etwa.

Die Welt des Sports habe ich vorher nicht als heil erlebt. Der Sport hat zweifelsfrei Potenziale zur Gesunderhaltung, Integration, Erziehung, Gemeinschaftsbildung und vielem mehr. Aber es ist ein Irrtum, dass das alles automatisch da ist, wo Sport gemacht wird. Dafür muss ganz hart gearbeitet werden. Aber wir können einen Beitrag dazu leisten, dieses Potenzial umzusetzen. Denn Doping macht es unmöglich, das Gute im Sport zu realisieren.

Was muss man eigentlich über Doping wissen, um es richtig bekämpfen zu können?

Für eine Position wie meine ist am wichtigsten zu wissen, wie der Sport organisiert ist. Schließlich muss man mit diesem System kooperieren. Es ist eine Illusion, den Kampf gegen Doping alleine von außen führen zu können, indem ich nur reinsteche und dann wieder weg bin.

Wenn man den Sport kennen muss, dann ist doch der frühere australische Finanzminister John Fahey die falsche Besetzung als Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur.

Der Wada-Präsident ist Moderator in einem hochpolitischen Umfeld. Man darf nicht vergessen, dass die Wada kein Zusammenschluss vieler Nadas ist, sondern einer zwischen Sportorganisationen und Regierungen. Die Regierungen zahlen 50 Prozent des Budgets. Da kann Ministererfahrung nicht schädlich sein. Aber es ist ein ewiger Streit, ob ein Gummibärchenmanager auch ein guter Manager in einem Unternehmen für Autositze wäre.

Faheys Unkenntnis wird sicher dazu führen, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter mehr Einfluss bekommen. Auch bei der Nada soll das Hauptamt gestärkt werden. Also sind Sie die exekutive Nummer eins im deutschen Anti-Doping-Kampf?

Das kann man so sagen, das war auch so gewollt bei Gründung der Nada: einen Anti-Doping-Kampf in Deutschland aus einer Hand. Das ist zunächst nur bedingt gelungen, weil die Ausstattung nicht ausgereicht hat. Jetzt sind wir 14 hauptberufliche Kräfte. Wir haben uns sportwissenschaftliche Kompetenz dazugekauft, eine Apothekerin eingestellt, eine Ärztin und werden uns weiter verstärken. Nur das kann der Weg sein. Anti-Doping-Kampf ist keine Feierabendbeschäftigung. Jeder Brief, jeder Anruf von uns kann juristische Konsequenzen haben.

Anfang des Jahres gab es große Aufregung um nicht durchgeführte Dopingkontrollen und darüber, wann sich Athleten wie abzumelden haben. Können Sie einem Athleten seine Pflichten in drei Sätzen erklären?

Klar. Der Athlet hat einen passwortgeschützten Zugang in einem internationalen Datensystem der Wada. Dort gibt er vierteljährlich ein, wo er sich im nächsten Quartal aufhalten wird, welche Trainingslager er besucht, wo sein gewöhnlicher Aufenthaltsort ist, wo er studiert etc. Das andere ist: Wenn er sich länger als 24 Stunden von seinem gemeldeten Ort entfernt, muss er das melden. Mehr ist es nicht.

Es gab den Vorschlag, dass Kontrolleure Athleten etwa per GPS orten sollen. Denn Triathleten zum Beispiel sind im Training oft stundenlang unterwegs, also nicht für den Kontrolleur zu erreichen. Und es gibt Dopingsubstanzen, die schon nach wenigen Stunden nicht mehr nachweisbar sind.

Diese Überlegung gab es bei uns nicht. Ich sehe auch keinen Anlass, mich damit auseinanderzusetzen.

Was spricht gegen GPS?

Zum einen ist das ein weiterer Aufwand. Ich habe auch erhebliche Bedenken, ob wir da nicht Grenzen überschreiten. Von den Rechten der Sportler will ich gar nicht reden. Und ich kann nur einen begrenzten Nutzen sehen. Es gehört zum Alltag, dass der Athlet einmal nicht angetroffen wird, weil er eben keine elektronische Fußfessel hat. Trotzdem liegt die Quote nicht erfolgreicher Kontrollversuche mit weniger als zehn Prozent extrem gut, auch im internationalen Vergleich.

Es wurde auch viel durcheinander gebracht zwischen einer nicht erfolgten Kontrolle und einem Missed Test.

Ein nicht-erfolgreicher Kontrollversuch bedeutet zunächst, dass der Kontrolleur den Athleten nicht angetroffen hat, weil er möglicherweise Kaffee trinken war oder bei seiner Oma oder nach Hamburg geflogen ist. Aber wenn er innerhalb von 24 Stunden wieder da ist, ist das kein Problem. Ich gehe davon aus, dass es Grundkonsens ist, keine Totalüberwachung einzuführen. Wenn der Kontrolleur den Athleten dann nicht findet, teilen wir das dem Verband mit. Wenn der Verband zum Beispiel feststellt: Der Kontrolleur war in Ulm, der Athlet aber auf Mallorca im Trainingslager und hat sich nicht abgemeldet, ist das ein Missed Test. Dafür wird der Athlet bestraft.

Wo liegen die Grenzen des Zumutbaren für den Athleten? Wann wird der Kontrolleur frühestens klingeln, wann spätestens?

Nach dem Nada-Code kann er grundsätzlich immer kontrollieren. Aber in der Regel zwischen 7 und 23 Uhr.

Dazu hat der Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes Jürgen Mallow gesagt, dies sei so, wie vor einer Bank ein Plakat aufzustellen, dass sie zwischen 23 und 7 Uhr nicht bewacht werde.

Wenn ich den Anspruch habe, intelligent zu kontrollieren, und den haben wir, können Sie davon ausgehen, dass man solche Schilder nicht mehr aufstellen kann.

Das heißt: Die Athleten müssen sich auf einiges gefasst machen?

Müssen sie, eindeutig. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, es soll ja ein intelligentes System sein, das auch vom Überraschungsmoment lebt. Eine intelligente Kontrolle heißt, dass ich den Kontrollzeitpunkt sehr genau plane. Und wenn man bestimmte Verdachtsmomente hat, dann stehen wir vielleicht auch mal um 23 Uhr vor der Tür und um 6 Uhr das zweite Mal. Oder auch einmal nach 23 Uhr.

Was ist für Sie die wichtigste Herausforderung? Mehr Geld für die Nada zu akquirieren? Denn es wird so getan: Je mehr Geld für die Nada, desto sauberer der Sport.

Nein, unsere wichtigste Aufgabe ist, Doping zu verhindern. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Wir müssen besonders bei den jungen Athleten ansetzen, sie aufklären, damit sie gute Gründe haben, Nein zum Doping zu sagen.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

Christoph Niessen, 38, ist Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Zuvor war der promovierte Sportwissenschaftler Geschäftsführer des Sportbunds Rheinland in Koblenz.  

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